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Falsche Debatte um Arbeitslosigkeit: Wir müssen Jobs schaffen statt Zuverdienste zu streichen

Falsche Debatte um Arbeitslosigkeit: Wir müssen Jobs schaffen statt Zuverdienste zu streichen
Wenn es um den Arbeitsmarkt geht, führen wir die falschen Diskussionen. Während die Arbeitslosigkeit steigt, haben Medien andere Interessen im Fokus. Momentum-Ökonomin Barbara Schuster kommentiert.

Ein Blick in Österreichs Medienlandschaft lässt vermuten, dass dem Arbeitsmarkt ein akuter Fachkräftemangel droht. Gleichzeitig zeigt ein Blick in die Arbeitsmarkt-Statistik, dass die Arbeitslosigkeit seit Monaten steigt und auch die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen immer größer wird. Zum einen wird also suggeriert, dass Arbeitskräfte fehlen, zum anderen sind rund 400.000 Menschen in Österreich auf Jobsuche – um 60.000 mehr als noch vor 2 Jahren. Was steckt dahinter? 

Der Fachkräftemangel ist kein akutes Problem 

Dass die Medien verstärkt über einen Fachkräftemangel berichten, wird stark von Inseraten in Zeitungen, Radio und Fernsehen beeinflusst. Die neuen Medientransparenzdaten der Regulierungsbehörde KommAustria zeigen, dass die Wirtschaftskammer dreimal so hohe Werbeausgaben tätigt wie die Arbeiterkammer. Dass wir also immer noch über einen Fachkräftemangel sprechen – und nicht über die steigende Arbeitslosigkeit – liegt an den Inseraten und der Narrativ-Gestaltung der Wirtschaftskammer. 

Aktuell ist der Fachkräftemangel aber kein so großes Problem für die österreichische Wirtschaft. Ein Blick in die Betriebe zeigt, dass fehlende Aufträge und zu wenig Absatz das größte Hindernis bedeuten – nicht Personalmangel. Die schwache Nachfrage wird auch durch die von Liberalen geforderte Lohnzurückhaltung nicht gestärkt werden. 

Wir müssen über die steigende Arbeitslosigkeit reden 

Die österreichische Wirtschaft befindet sich im dritten Rezessionsjahr, die 400.000 Arbeitslosen sind ein akutes Problem, das thematisiert und dem dringend gegengesteuert werden muss. Besorgniserregend ist auch der seit mittlerweile zwei Jahren andauernde Anstieg der Langzeitbeschäftigungslosen. Die schleppende wirtschaftliche Lage wird auch in den kommenden Monaten etliche weitere Menschen in die (Langzeit-)Arbeitslosigkeit katapultieren. Derzeit ist mit rund 132.000 Langzeitbeschäftigungslosen knapp ein Drittel aller Erwerbsarbeitslosen seit mehr als einem Jahr ohne Job. 

Trotz dieser dramatischen Zahlen versucht AMS-Vorstand Johannes Kopf zu beruhigen. Es sei alles halb so wild, in Zeiten einer Rezession könnte die Arbeitslosigkeit noch viel schlimmer sein. Dieser versuchte Optimismus ändert allerdings nichts daran, dass die Arbeitslosigkeit weiter steigt und die Regierung keine andere Lösung parat hat, als den geringfügigen Zuverdienst zu streichen. Es scheint, als ob auf die Menschen und Schicksale hinter den Arbeitsmarkt-Zahlen in der Diskussion vergessen wird. 

Jede:r dritte Arbeitslose ist armutsgefährdet 

Das österreichische Arbeitslosengeld ist im internationalen Vergleich gering. Die Höhe entspricht 55 Prozent des letzten Nettoeinkommens, tatsächlich erhalten Arbeitslose aber durchschnittlich weniger als 55 Prozent ihres Vorverdienstes. Das führt dazu, dass mittlerweile jede:r dritte Arbeitslose armutsgefährdet ist. Bei Langzeitarbeitslosen ist es sogar jede:r zweite. 

Die Einschränkung beim geringfügigen Zuverdienst trifft also besonders jene Menschen hart, die bereits stark unter der angespannten Lage am Arbeitsmarkt leiden. Statt Arbeitslose weiter unter Druck zu setzen, braucht es nachhaltige Lösungen – vor allem durch gezielte Qualifizierungs- und Beschäftigungsprogramme in zukunftsträchtigen Bereichen wie Pflege, öffentlicher Verkehr und erneuerbare Energien. 

Es braucht Leuchtturmprojekte gegen die hohe Arbeitslosigkeit 

Immerhin ist mit der Dreierkoalition das AMS-Budget gesichert, unter einer FPÖ-ÖVP-Regierung wäre es das niedrigste Arbeitslosen-Budget jemals gewesen. Das ist allerdings nur ein kleiner Lichtblick, es fehlen Leuchtturmprojekte, um den Anstieg der Arbeitslosigkeit abzubremsen. Auch die Wirtschaftspolitik spart momentan in die Krise hinein, anstatt Mehrausgaben zu tätigen, um die Konjunktur wieder anzukurbeln. 

Was es eigentlich braucht ist es, jenen Menschen eine Perspektive zu bieten, die langzeitarbeitslos sind und oft auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Stelle mehr finden. Eine bundesweite Ausrollung des Jobgarantieprojekts „MAGMA“ des AMS Niederösterreichs wäre ein geeignetes Instrument dafür. Auch die Anhebung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe wäre sinnvoll, um Arbeitslose über die Armutsgefährdungsschwelle zu heben. 

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