Pink Tax: Der Preis des Frauseins

Augenbrauen zupfen für Herren – 5 Euro; Augenbrauen zupfen für Damen – 7 Euro. Männerwaschgel – 1,50 Euro; Frauenwaschgel der selben Marke – 2,50 Euro. Blauer Schnuller für Buben – 4,45 Euro; der gleiche Schnuller in rosa für Mädchen – 5,39 Euro. All dies sind echte Preise echter Produkte und Dienstleistungen, so wie sie alltäglich im Handel zu finden sind.
Ein Preis dafür, dass man weiblich ist – so funktioniert die sogenannte „Pink Tax“ oder „rosa Steuer”. Hierbei handelt es sich nicht um eine richtige Steuer, sondern vielmehr um eine systemische finanzielle Mehrbelastung bei Produkten und Dienstleistungen, die an Frauen vermarktet werden. Diese geschlechtsspezifische Preisdiskriminierung beginnt, wie das Beispiel mit dem Schnuller zeigt, schon im Säuglingsalter.
Wie weitreichend ist diese Ungleichheit wirklich? Und: Ist sie tatsächlich belegbar? Diese Fragen haben drei Schülerinnen der BHAK St. Pölten umgetrieben und zu einer umfassenden Analyse der „Pink Tax“ in Österreich inspiriert. Ihr Ergebnis: Die rosa Steuer ist im Handel allgegenwärtig und kostet Frauen hunderte Euro jedes Jahr.
Vom Kuscheltier bis zum Rasierer
Es sind keine Luxusgüter, sondern unscheinbare Produkte des Alltags, hinter denen die größte Preisdiskriminierung steckt: Hygieneartikel, Kosmetika und Kinderspielzeug. Im Rahmen ihrer Recherche untersuchten Lena Höld, Kathrin Thanner und Emma Kranawetter stichprobenartig die Preise alltäglicher vergleichbarer Männer- und Frauenprodukte zweier bekannter Drogeriemarktketten.
Ein einfacher Preisvergleich zeigt: Produkte für Frauen und Mädchen aller Art sind eindeutig kostspieliger. Der Aufschlag der „Pink Tax“ variiert stark und beträgt beispielsweise bei Tassen der gleichen Marke 10 Prozent. Manche Plüschfiguren – die männliche „Toad“ und die weibliche „Toadette“ – trennen ganze 123 Prozent. Vergleichbare Duschlotionen einer handelsüblichen Marke sind für Frauen um 67 Prozent teurer.
Viele Männer- und Frauenprodukte sind ident – bis auf ihren Preis. Die „Pink Tax“ ist also kein Zufall, oder gar mit Produktunterschieden gerechtfertigt – sie ist beinharte Strategie und Diskriminierung.
Wieso funktioniert die Pink Tax?
Wie können so viele Unternehmen damit durchkommen? Man müsste meinen, dass diese Preisdiskriminierung auffällt und Konsument:innen sich dagegen wehren. Das passiert jedoch kaum. In den meisten Fällen ist der Preisunterschied gut kaschiert. Unternehmen wenden ausgeklügelte Tricks an, um die Geschlechterdiskriminierung zu verwischen.
Die Marktanalyse der Schülerinnen offenbart, dass Unternehmen vergleichbare Produkte für Frauen anders vermarkten, oder Mengeneinheiten abändern, um den Preisunterschied zu verschleiern. Ein Frauen-Deodorant mit 50 Milliliter Inhalt kostet mehr als das Männer-Deo mit nur 45 Milliliter. Das ist nicht nur intuitiv, sondern auch gerechtfertigt – oder? Rechnet man den Preis auf die enthaltene Menge um, wird der Zuschlag für Frauen erst sichtbar. Der Preis des Frauenproduktes steigt nicht proportional mit dem Inhalt, sondern unverhältnismäßig mehr.
Nicht nur abweichende Mengeneinheiten zielen darauf ab, die Preisdiskriminierung zu verstecken. Das Frauenprodukt steht nur selten neben dem gleichartigen Männerprodukt im Regal. So hat die Konsumentin weniger Anlass, einen Preisvergleich durchzuführen – aus den Augen aus dem Sinn.
Konsumgüter, die an Frauen gerichtet sind, werden oftmals in Pastellfarben und mit lieblichen Motiven gestaltet. Sie beinhalten häufiger unnötige Features oder eingängige Slogans. Das soll zum einen den preislichen Unterschied rechtfertigen, zum anderen emotionale Kaufentscheidungen beeinflussen.
Denn Unternehmen gehen von einer unterschiedlichen Zahlungsbereitschaft zwischen Männern und Frauen aus. Das liegt nicht zuletzt an dem sozialen Druck, der vornehmlich auf Frauen lastet.
Dress to impress
Zahlreiche Studien belegen den Zusammenhang zwischen dem Aussehen einer Person und ihrem Erfolg im Arbeitsleben. In einer geschlechterbinären Welt bedeutet das auch, dass Frauen und Männer in ihrem Aussehen den geschlechtsspezifischen Erwartungen entsprechen sollen. Und gerade an Frauen stellt die Gesellschaft hohe Erwartungen. Die Wissenschaft zeigt sogar, dass das Äußere von Frauen viel stärker an ihren Erfolg geknüpft ist, als das bei Männern der Fall ist.
Dieser gesellschaftliche Druck schlägt sich auch im Kaufverhalten nieder: Frauen sollen feminin sein, sie sollen gut riechen, haarlose Körper haben, gepflegt sein, möglichst wenig altern und ganz bestimmt gekleidet sein – all das kostet Geld. Männer müssen all dies nicht unbedingt oder zumindest weniger intensiv leisten. So sehen sie sich kaum gezwungen, selbstoptimierende Produkte wortwörtlich um jeden Preis zu erwerben.
Finanzielle Ungleichbehandlung endet nicht bei der „Pink Tax“
Das Leben ist für Frauen teurer, auch ohne rosa Steuer. Das beginnt beim Gender Pay Gap. In Österreich bekommt eine Frau im Schnitt 12 Prozent weniger Lohn oder Gehalt als ein Mann. Jene Tätigkeiten, die mehrheitlich von Frauen ausgeführt werden, wie die Pflege, Reinigungsjobs oder pädagogische Berufe, sind systematisch unterbezahlt – und das, trotz ihrer unbestreitbaren Systemrelevanz. Doch auch in traditionellen „Männerdomänen“ – in der Firmengeschäftsführung oder in MINT-Berufen – bekommen Frauen für dieselbe Arbeit etwa 18 Prozent weniger bezahlt.
Gleichzeitig leisten Frauen den Großteil der unbezahlten Arbeit: Haushaltstätigkeiten, Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen entfallen vorwiegend auf die Mütter, Großmütter, Töchter und Schwestern und nicht auf männliche Familienmitglieder. Darüber hinaus zwingt der Mangel an leistbaren Kinderbetreuungseinrichtungen viele Mütter in Teilzeitberufe, wo sie naturgemäß noch weniger verdienen.
Der Frauenkörper – eine Goldgrube
Noch etwas stellt eine übermäßige finanzielle Belastung für Frauen dar: Der Preis für ihre natürlichen Körperfunktionen. Frauen menstruieren – im Durchschnitt 35 bis 40 Jahre lang. Die sogenannte „Tamponsteuer“ bezeichnet die Mehrwertsteuer auf Menstruationsartikel, die in vielen Staaten noch als „Luxusgüter“ eingestuft werden. Auch in Österreich wurden Tampons und Binden erst 2021 als „notwendige“ Produkte klassifiziert und die Steuer damit von 20 auf 10 Prozent herabgesetzt.
Global gesehen birgt der Preis von Menstruationsartikeln große finanzielle Herausforderungen für Frauen. Die Tatsache, dass Frauen in den unteren Einkommensschichten weltweit kaum oder gar keinen Zugang zu teuren Periodenprodukten haben, wird als „Period Poverty“, also “Periodenarmut”, bezeichnet. Im Staat Kenia wurde die Luxussteuer auf Tampons bereits im Jahre 2004 abgeschafft. Schottland war 2020 das erste Land, in dem die Behörden Menstruationsartikel gänzlich kostenfrei für alle zur Verfügung stellten.
Auch die gesundheitlichen Folgen des Klimakteriums, der Menopause, kosten Frauen in ihren Wechseljahren aufsummiert mehrere tausend Euro. Schwindel, Herzrasen, Depressionen, Hitzewallungen und viele weitere körperliche und psychische Belastungen drängen viele Frauen zum Kauf kostspieliger Präparate zur Linderung ihrer Menopausen-Beschwerden.
Der „Gender Pricing Bericht 2019“ vom österreichischen Institut für Höhere Studien schätzt die Gesamtausgaben pro Frau dafür auf circa 2.100 Euro. Von den 10 Prozent Steuern dieser unerlässlichen Produkte verdient der Staat in etwa 210 Euro pro Frau in den Wechseljahren.
Ebenso die Verhütung – und damit auch ihre Kosten – bleibt in Österreich Frauensache. Im „Österreichischen Verhütungsreport 2019“ gaben Frauen fast doppelt so häufig wie Männer an, allein für die Verhütung und ihre Kosten verantwortlich zu sein.
Was es kostet, Frau zu sein
Doch was machen schon die paar Euro mehr aus? Langfristig eine Menge, stellten auch die Schülerinnen Höld, Kranawetter und Thanner fest. Sie verglichen die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten von Frauen und Männern in unterschiedlichen Haushaltssituationen – unter Einbeziehung des Gender Pay Gap und der Mehrbelastung durch die „Pink Tax“ sowie durch Produkte der sexuellen und reproduktiven weiblichen Gesundheit. Auch Unterhalt und Familienbeihilfe sind in ihrer Rechnung inkludiert.
In fast allen Haushalten – ob Single- oder Paar-Haushalt, mit oder ohne Kinder – verfügen Frauen am Ende des Jahres über deutlich weniger finanzielle Rücklagen als Männer oder über gar keine. Im Ein-Personen-Haushalt haben Frauen bis zu 6.400 Euro jährlich weniger, in Paarhaushalten mit Kindern rund 200 bis 800 Euro weniger am Konto als der Mann in derselben Haushaltskonstellation. Nur bei größeren Familien mit drei Kindern können höhere familienbezogene Leistungen den Gender Gap vorübergehend ausgleichen oder sogar umkehren.
Das Ergebnis leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass Frauen im Durchschnitt deutlich weniger Gehalt bekommen, gleichzeitig jedoch viel mehr Geld ausgeben müssen.
Arme Frau – selbst schuld?
Die „Pink Tax“ ist somit kein zufälliger Preisaufschlag besonderer Produkte, oder ein isoliertes Marktphänomen. Sie ist Teil einer globalen ökonomischen Geschlechterdiskriminierung, die sich in allen Lebensbereichen und -situationen der Frau zeigt. Von dieser Ungleichbehandlung profitieren Unternehmen, der Staat – und ganz im Allgemeinen: Männer. Der ewige Mythos, frau müsse sich doch einfach mehr anstrengen, kann mit Hinblick auf diese allumfassende strukturelle Benachteiligung leicht entkräftet werden. Was aber dagegen tun?
Die Strukturen müssen sich ändern
Ein Verbot der finanziellen Mehrbelastung durch die „Pink Tax“ wurde bereits in mehreren Staaten der Welt diskutiert. Die Durchsetzung stößt immer wieder auf Widerstand, ist aber nicht unmöglich: Der Bundesstaat New York beschloss 2020 das „Gender-Based Pricing Law“, welches Unternehmen eine unterschiedliche Geschlechter-Bepreisung für „im Wesentlichen ähnliche“ Konsumgüter oder Dienstleistungen verbietet.
Die Luxussteuer für Gesundheits- und Verhütungsprodukte wurde schon in einigen Staaten wie Kolumbien, Großbritannien und auch in Österreich abgeschafft. Gratis Perioden-, Menopausen- und Verhütungsartikel bleiben jedoch die Ausnahme. Um die ökonomische Diskriminierung des Frauenkörpers effektiv zu bekämpfen, darf der Zugang zu weiblichen Hygiene- und Gesundheitsartikeln kein Privileg bleiben.
Ganz grundlegend braucht es jedoch ein gesellschaftliches Umdenken und den politischen Willen zur Veränderung: „Frauenberufe“ müssen die soziale und ökonomische Anerkennung erhalten, die sie verdienen. Verpflichtende Quoten müssen ihren Zugang zu „Männerbranchen“ absichern. Für die gleiche Arbeit müssen Frauen endlich auch das gleiche bezahlt bekommen. Männer sollen ihren fairen Anteil zur Kinderbetreuung und zum Haushalt leisten und auch die rechtlichen und beruflichen Rahmenbedingungen bekommen, das zu tun. Der Staat muss Familien entlasten, indem er genügend leistbare Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen zur Verfügung stellt.
Erst grundlegende strukturelle Reformen können die ökonomische Diskriminierung von Frauen überwinden.