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Klimakrise

Nachhaltig leben sollte nicht anstrengend sein.

Nachhaltig leben sollte nicht anstrengend sein.
Nachhaltig leben sollte nicht anstrengender sein als die Klimakrise zu befeuern, sagt Lisa Wohlgenannt.
„Das klingt wahnsinnig anstrengend.“ Wenn ich Leuten davon erzähle, wie ich versuche, mein Leben möglichst nachhaltig zu gestalten, ist das oft die Antwort. Lange habe ich meinen Lebensstil verteidigt. Heute muss ich sagen: Sie haben recht. Und dass sie recht haben, ist unrecht.

Es folgt eine Selbstbeweihräucherung. Ich ernähre mich vegan, möglichst regional, in Bio-Qualität und unverpackt. Muss ich im Laden zwischen Bio-Qualität aber verpackt und unverpackt aber nicht Bio-Qualität entscheiden, bin ich etwas überfordert. Wird meine liebste vegane Marke von einem schmutzigen Großkonzern geschluckt, kauf ich sie nicht mehr.

Ich versuche grundsätzlich möglichst wenig zu kaufen und wenn, dann keine Fast-Fashion oder Ähnliches. Lieber Langlebiges bei nachhaltigen, möglichst lokalen Unternehmen oder secondhand. Online-Riesen will ich sowieso nicht unterstützen. Ich bin ewig nicht mehr geflogen, sondern fahre mit Zug oder Bus. Ich schreibe das nicht, um mich selbst zu loben. Sondern, um ein systematisches Problem aufzuzeigen. Ich weiß, dass einen solchen Lebensstil nicht jede:r führen kann. Genau darum geht’s.

Ich investiere nämlich nicht nur viel Zeit und Geld, sondern vor allem Energie in meine Entscheidungen für nachhaltige Alternativen. Klingt anstrengend. Ist es auch.

Ein deutliches Beispiel: Will ich am Wochenende nach Berlin, kann ich das mit dem Flugzeug ab 119 €. Das sagt zumindest die Flugsuche von Bing. Flugdauer: Etwas mehr als eine Stunde. Demgegenüber steht der Zug. Die billigste Variante mit den ÖBB ist die Sparschiene um 194,40 € für den Hin- und Rückweg. Das sind dann die Randzeiten ganz früh morgens oder spät abends. Die nutzen nämlich weniger Leute. Und zwar nicht ohne Grund. Die Zugfahrt dauert dann zwischen acht und neun Stunden. Solls schneller gehen, nämlich sieben Stunden und 40 Minuten, kostet das 225,50 €. Für eine Strecke. Dass Flüge ein Vielfaches an Emissionen verursachen und schädlich für das Klima sind, wissen wir alle.

Die richtige Entscheidung zu treffen – richtig für die Umwelt und die Gesellschaft – ist nicht selbstverständlich und nicht einfach. Es braucht viel Überzeugung, Willenskraft und emotionale Stärke. Die finanziellen Möglichkeiten und die Bereitschaft, Opfer zu bringen. Man muss dadurch nämlich fast immer Nachteile in Kauf nehmen. Die langfristig richtige Entscheidung ist für das Individuum kurzfristig offensichtlich die falsche. Das ist anstrengend. Das ist unrecht. Und das ist das Versagen der Politik.

Wollen wir unsere Lebensgrundlage erhalten – worauf sich viele Länder wie auch Österreich mit dem Pariser Klimaabkommen geeinigt haben – muss eben die Politik endlich handeln. Sie muss aufhören, die Verantwortung an die Einzelpersonen abzuwälzen. Sie muss klimaschädliches Verhalten kurzfristig so unattraktiv machen, wie es das langfristig ist. Oder sogar unmöglich. Beispielsweise mit einer angemessenen CO2-Bepreisung. Mit höheren Steuern und Abgaben, mit Regelungen und Verboten für klimaschädliche Dinge wie Flüge. Kurz: Nachhaltig soll einfacher und günstiger sein als klimaschädliche Varianten.

Langfristig sieht unser bisheriges, klimaschädliches Verhalten nämlich so aus: Lebensraum, Lebensmittel und Wasser werden knapp. Wir werden um unsere Lebensgrundlagen kämpfen – um das Notwendigste, das wir zum Überleben brauchen. Davon werden wir nicht mehr genug haben. Dürren, Hitze, Feuer. Starkregen, Fluten, steigende Meeresspiegel. Das steht uns bevor, wenn wir nicht jetzt sofort alles tun, um das zu verhindern. Und zwar alle.

Das zu verhindern, das sollte nicht anstrengend sein. Es sollte keine schwierige Entscheidung sein. Es sollte nicht mehr meiner kognitiven, emotionalen und wirtschaftlichen Ressourcen in Anspruch nehmen, als unsere Lebensgrundlage zu zerstören.

Die richtige Entscheidung sollte eine leichte sein. Sie sollte die günstigere, die bessere, die logische sein. Langfristig und kurzfristig. Für mich, die Natur und die Gesellschaft. Nachhaltig zu leben sollte nicht anstrengend sein. Dafür hat die Politik zu sorgen.

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