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Sozialer Wohnbau in der Krise: Was der Staat tun muss

Der soziale Wohnbau in Österreich steckt in der Krise. Diese Entwicklung trifft – wie so oft – die ärmste Einkommensschicht am härtesten. Wie kann die Regierung darauf antworten?

Leistbarer Wohnraum ist Mangelware. Die Teuerung der letzten Jahre hat sich gerade in der Baubranche besonders bemerkbar gemacht. Gemeinnützige Bauträger stellen deutlich weniger Wohnungen fertig. Der gewerbliche Wohnbau lahmt – auch wegen hoher Zinsen und zurückhaltender Banken. Die Baukosten wachsen aufgrund vieler Insolvenzen in der Baubranche. Gleichzeitig steigt jedoch der Bedarf an leistbarem Wohnraum.


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Was das bedeutet? Weniger sozialer Wohnraum heißt höhere Mieten – das trifft besonders die Haushalte mit den niedrigsten Einkommen hart, denn Eigentum bleibt ein Privileg der Wohlhabenden. Die unteren 40 Prozent der Bevölkerung umfassen fast 900.000 Mieter:innenhaushalte, während in den oberen 40 Prozent fast eine Million Haushalte in Eigentum leben.

Gleichzeitig sind die Wohnkosten für die unteren Einkommensschichten am belastendsten. Im untersten Fünftel der Bevölkerung macht die Miete im Schnitt etwa 36 Prozent des gesamten Einkommens aus.

Kein Profit mehr mit Wohnraum

Vom Geschäft mit Immobilien profitieren wiederum die Reichsten. Immobilienspekulation, hohe Mieten, Steuerbegünstigungen – das macht wohlhabende Menschen reich und umgekehrt teuren Wohnraum unleistbar. Um die Wohnungskrise zu bekämpfen, muss diesem Geschäft Einhalt geboten werden.

Was muss passieren? Wir fragen Oliver Picek, Senior Economist beim Momentum Institut. Er hat fünf Empfehlungen für mehr leistbares Wohnen an die Regierung:

1. Mietpreisbremse im privaten Sektor

Eine Mietpreisbremse stellt einerseits sicher, dass Mieten nicht weiterhin unbegrenzt steigen können. Das würde Mieter:innen massiv entlasten.

Andererseits würde sie das Bauen teurer Villen, Häuser, und Wohnhäuser für die Reichen und die obere Mittelschicht hemmen. In einer Krise vor allem des leistbaren Wohnens, ist ein übergroßes Angebot an Luxuswohnungen nutzlos. Für Investor:innen sind hochpreisige Immobilien aber weniger spannend, wenn sie ihre Mieten aufgrund einer Mietpreisbremse nicht so hoch ansetzen können.

Das wirkt sich auch auf den Immobilienmarkt aus: Mit Profitabsicht kostet es immer mehr zu bauen. Wenn sich mit Mieten jedoch nicht mehr so viel Geld verdienen lässt, sinken damit auch die Grundstückspreise. So könnten deutlich mehr erschwingliche Wohnungen gebaut werden, da der Preis des Baulandes nicht mehr so hoch ist.

2. Strengere Flächenwidmung

Widmungen für den Wohnungsbau sollten bevorzugt für den sozialen Wohnbau erlassen werden, nicht für private Bauträger. Auch damit verlieren Grundstücke an Marktwert. Das ist gut, denn dann könnten sich Baugenossenschaften den Grundstückskauf wieder zunehmend leisten.

In Wien geschieht dies bereits bei zwei Drittel aller Grundstücke. Im Kampf gegen die Teuerung im Wohnbaubereich müsste Österreich aber tatsächlich sämtliches Bauland für sozialen Wohnbau widmen – oder dies zumindest in allen Ballungsräumen umsetzen.

Auch eine hohe Umwidmungsabgabe kann hier nützlich sein. Das Umwidmen von Bauland auf eine lukrativere Nutzung (wie beispielsweise die Errichtung von Luxuswohnungen) sollte teurer werden, um den Anreiz für privates Immobiliengeschäft zu schmälern und Flächenspekulation einzudämmen.

3. Zweckgebundene Wohnbauförderung für sozialen Wohnbau

Öffentliche Gelder sollen ausschließlich dem sozialen Wohnbau, nicht dem privaten, zur Verfügung stehen. So würde leistbares Wohnen seine dringend benötigte Förderung erhalten.

In diesem Rahmen wäre es auch sinnvoll, gemeinnützigen Bauvereinigungen, wie Genossenschaften, günstige Kredite mit fixen Zinsen anzubieten. Der derzeitige Flächenpreis ist für den gemeinnützigen Wohnbau kaum leistbar und Bankkredite sind in Krisenzeiten überteuer. Kreditgaben mit niedriger Fixverzinsung durch den Staat könnten erschwingliches Bauen für gemeinnützige Zwecke ermöglichen.

4. Privatisierungsstopp im gemeinnützigen Bereich

Beim Errichten gemeinnützigen Wohnbaus erhalten Genossenschaften öffentliche Fördermittel. Diese Förderungen sind jedoch auch an gewisse Bedingungen geknüpft. Einerseits müssen Mietpreise in den gemeinnützigen Wohnungen niedrig gehalten werden. Davon profitieren Mieter:innen eindeutig. Andererseits müssen die gebauten Wohnungen nach fünf Jahren den Mieter:innen zum Verkauf angeboten werden.

Nach diesem Verkauf gehören die Wohnungen also nicht mehr der Genossenschaft oder dem Staat, sondern privaten Eigentümer:innen. Diese Regelung wiederum schadet in der Folge oft Mieter:innen, denn nun ist die Wohnung nicht mehr von regulierten Mietpreisen, sondern allgemeinen Marktdynamiken abhängig. Die Eigentümer:innen können den ursprünglich sozialen Wohnraum nun teuer weiterverkaufen oder vermieten.

5. Mehr öffentliche Bauprojekte

Bund, Länder und Gemeinden sollten wieder mehr selbst bauen. Staatliche Bauprojekte kommen meist günstiger als private, da sie keinen Gewinn abwerfen müssen. Unter öffentlicher Kontrolle könnten Mietpreise leichter reguliert werden und der Grund in staatlichem Besitz ist für Spekulation uninteressant. All das würde Baukosten und Wohnungspreise senken und leistbareres Wohnen für die Österreicher:innen ermöglichen.

Generell wäre es angesichts der Klimakrise außerdem wünschenswert, dass der große Altbestand an Wohnungen saniert und klimafit und der Bevölkerung zugänglich gemacht wird. Ganz ohne Neubau wird es nicht gehen. Aber wo eine bestehende Wohnung modernisiert werden kann, statt neue zu bauen und mehr Boden zu versiegeln, ist das zu bevorzugen.

Und die Regierung?

Die neue Dreier-Regierung hat bisher noch keine Maßnahmen zur Förderung gemeinnützigen Wohnbaus gesetzt, um der Wohnungskrise entgegen zu wirken.

Schon die vorangehende Regierung aus ÖVP und Grünen hat das Wohnungs-Problem erkannt und mit dem 2024 Wohnbaupaket reagiert. Von 20.000 neu geplanten Wohnungen sollte aber die Hälfte dem Immobilienmarkt zugänglich gemacht, also verkauft werden. Dieser Teil senkt die Preise aber wie beschrieben nicht vorrangig und ist sozial nicht treffsicher.

Für die Umsetzung sind vor allem die Bundesländer zuständig, das Projekt geht bisher schleppend voran. Laut Plan sollte eine Milliarde Euro in Neubau und Sanierung von Wohnraum fließen. Bis Februar waren erst 76 Millionen davon abgeholt.


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