Demokratie

Fünf Lehren aus der Wien Wahl 2025

Die Wien-Wahl  2025 ist geschlagen. Was können wir daraus ableiten? Natascha Strobl kommentiert.

Das offizielle Endergebnis der Wien-Wahl 2025: 

SPÖ 39,38% (-2,24%)
FPÖ 20,4% (+13,2%)
Grüne 14,52% (-0,28%)
Neos 10% (+2,53%)
ÖVP 9,65% (-10,78%)
KPÖ+Links 4,06% (+2%)
Andere – rund 2% (-4,5%). 

 

#1 Die SPÖ stabilisiert sich im Niedergang

Wien ist rot. Das ist ein eisernes Gesetz in demokratischen Zeiten. Damit hat Wien eine einzigartige Position für eine Großstadt in Europa. Es gibt keine andere Stadt dieser Größe, die annähernd so sicher, sauber und gut verwaltet ist. Die Öffis funktionieren und werden ausgebaut. Dazu kommt das große Erbe, vor allem in Sachen Wohnungsbau und öffentlicher Daseinsvorsorge, von dem die SPÖ Wien nach wie vor zehrt. 

Doch die Zeiten der 50%-Alleinregierungen sind in weiter Ferne. Erst musste man sich an den 45% orientieren, nun sind es die 40% und demnächst wohl die 35%. Das mag wie Jammern auf hohem Niveau klingen, doch zeigt es auf, dass irgendwo der Sozialdemokratie als solches der Anschluss an die Gegenwart verloren gegangen ist. In Wien schafft sie es nach wie vor besser als überall sonst, in vergleichbarer Größe die extreme Rechte hintan zu halten. Doch es ist ein Kampf im Abstieg. Es ist wieder einmal ein Minus. Die stolze Sozialdemokratie in Wien sollte sich eigentlich an den 50% und nicht den 35% orientieren. 

Wien bleibt die lebenswerteste Großstadt der Welt. Wien bleibt die bestverwaltete Großstadt der Welt. Der Vergleich sind aber nicht die anderen Städte, sondern man selbst. Hier sticht eine Befragung von Foresight heraus: Nur 58% der Wiener:innen empfinden Wien als sehr lebenswert. 2020 waren es noch 74%. Wie kann das sein? Hier muss die SPÖ ansetzen, wenn sie nicht immer nur leichte Verluste bejubeln will. Was ist real, was sind geschürte Ängste und welche Antworten außer (so berechtigt es oft sein möge) Selbstbejubelung hat die Sozialdemokratie darauf im Jahr 2025?

 

#2 Grün-Pink ist das neue bürgerlich.

Die ÖVP stürzt in die Bedeutungslosigkeit ab. So wie der SPÖ die Strategie für den ländlichen Raum fehlt, so hat die ÖVP keine Antworten mehr für das Leben in den Städten. Selbst in den bürgerlichen Villen-Hochburgen ist man nicht mehr der Platzhirsch. Wenn man nicht einmal mehr die Josefstadt-Abonnentinnen und die Palais-Bewohner von sich überzeugen kann, was macht man dann eigentlich noch als konservative Partei? 

Gerade einmal auf Bezirksvertretungs-Ebene konnten sich einige wackere Bezirksvorsteher retten. Auf Gemeinderatsebene wird der ÖVP gar nichts mehr zugetraut. Das ist nach diesem skurrilen Wahlkampf auch absolut folgerichtig. Einerseits wollte man die FPÖ schaumgebremst kopieren. Andererseits formulierte man eine eigene Version der #WienLiebe, ohne auch nur den geringsten Anteil am Funktionieren dieser Stadt zu haben. 

Die, die rechts wählen wollen, wählen demenstprechend FPÖ. Das Restbürgertum wechselt zu Neos und Grünen, die beide die ÖVP überholt haben. Das bildungsorientierte und kulturaffine Bürgertum, dem Eigenverantwortung und niedrige Steuern wichtig ist und den Klimawandel bekämpfen will, ist für diese ÖVP nicht mehr zu erreichen. 

 

#3 Die FPÖ stagniert

Gerade im benachbarten Ausland fürchtet man sich vor diesem Erdrutschsieg der FPÖ. Doch eigentlich stagniert die FPÖ. Der massive Zugewinn war schon vor fünf Jahren einkalkuliert. Damals hat die SPÖ strategisch klug die Wien-Wahlen sehr bald nach Ibiza angelegt. Das war legitim, aber natürlich darauf fokussiert, eine Mini-FPÖ im Wiener Gemeinderat zu haben, die mit der Zeit nicht mehr den realen Kräfteverhältnissen der FPÖ entsprach. 

20% sind mittlerweile das Fundament der FPÖ. Fürchten darf (aber muss man nicht) man sich, wenn die FPÖ jenseits der 25% klettert und überlegen stärkste Kraft wird. So geschehen bei den Nationalratswahlen im September. Es ist ein Zeichen der Normalisierung, dass man 20% extreme Rechte als normal ansieht, aber das ist die österreichische Realität. Insofern ist der Jubel verständlich, bei Lichte betrachtet hätte sich die FPÖ wohl doch einige Prozent mehr erhofft. 

 

Dass es nicht noch weiter hinauf geht, ist auch einer geänderten Strategie der SPÖ zu verdanken, die nicht mehr das “Duell um Wien” ausgerufen hat. Dieses Auf-Augenhöhe-heben hat immer auch der FPÖ geholfen. Die FPÖ hat zudem keine Bezirksvorstehung gewonnen. Auch das war schon einmal anders. Insofern stabilisiert sich die FPÖ auf hohem Niveau, ihr Potential hat sie bei weitem nicht ausgeschöpft.

 

#4 KPÖ und Links verpassen wieder den Einzug.

Die Zugewinne sind beachtlich. Doch am Ende zählt nur drinnen oder draußen. Das haben die KPÖ und Links wieder nicht geschafft. Nach den Erfolgen in Graz und Salzburg und in Deutschland ist das eine Enttäuschung. Lange hat man nun in Bezirksparlamenten gearbeitet, viel Erfahrung gewonnen und gründlich und nachhaltig gearbeitet. 

Es gibt sicherlich eine sorgfältige Analyse, aber ein Grundproblem ist die Scheu, eine Person aufzubauen und zum Gesicht zu machen. Zwei Spitzenkandidatinnen und wechselnde Spitzenkandidatinnen sind Gift im Wahlkampf, auch wenn es der innerparteilichen Befriedung dient. Der Zug zur Macht ist ausbaufähig. Der Einzug einer neuen Partei und ein weiterer Linksruck im Wiener Gemeinderat würde einige Verhältnisse umwerfen.

 

#5 Schafft die Trendprognosen ab.

Um 17 Uhr sah die Wiener Politikwelt sehr viel anders aus, als kurz nach 18 Uhr 30. Wozu die Aufregung und die Nervenanspannung? Wozu an einer Sache festhalten, die offensichtlich nicht funktioniert und Schaden anrichtet? 

Nur Politiknerds sind die Feinheiten der Unterschiede zwischen Trendprognose, Umfrage, Exit Polls und Hochrechnung bekannt. Für die Meisten sah es nach der ersten Hochrechnung so aus, als hätte die FPÖ plötzlich 3% verloren und die SPÖ magischerweise 2% gewonnen. Doch die 3% waren nie da und die 2% nie weg. Alles basiert auf hochgerechneten Umfragen. 

Wenn man da ein wenig daneben liegt, dann gibt man eine Realität vor, die nicht existiert, an der sich aber alle als Standard orientieren. Verschwörungs-Gläubige finden immer einen Grund ihre Verschwörungen zu bestätigen, man muss es ihnen aber auch nicht zusätzlich leicht machen. Entweder man investiert in ordentliche Exit Polls oder man wartet einfach auf die erste Hochrechnung und beginnt die Berichterstattung eine Stunde später. Bei dem wunderbaren Frühlingswetter hätten das alle verschmerzen können.


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