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Klimakrise

Immer gefährlichere Hitze: Was uns in Österreich schützen soll

Immer gefährlichere Hitze: Was uns in Österreich schützen soll
Wir erinnern uns alle an die Hitze der vergangenen Wochen. Doch die war nicht nur unbequem, sondern auch gefährlich. Foto: Christopher Glanzl
Fast 500 Todesfälle waren 2023 in Österreich auf Hitze zurückzuführen. Und die Temperaturen steigen und steigen. Wie Österreich seine Bevölkerung schützen kann und muss.

Gerade war es für ein paar Tage wieder etwas kühler, fast als wäre der Sommer vorbei. Doch wer sich vielleicht danach sehnt, muss weiter durchhalten. Die nächste Hitzewelle steht bevor. Wir erinnern uns jedenfalls noch alle an die vergangenen Wochen. Wie wir jeden Schattenplatz gesucht haben. Uns in Supermärkte, Fast-Food-Ketten und andere gekühlte Gebäude gerettet haben. Wie wir uns nachts vor Ventilatoren hin und her gewälzt und das Kopfkissen alle paar Minuten umgedreht haben. Wie nichts geholfen hat. Es war einfach zu heiß. 

Wenn ein Tag über 30 Grad Celsius erreicht, nennt man ihn “Hitzetag”. Die Zahl dieser Tage hat sich in den vergangenen Jahren in Österreich vervielfacht. 6,9 Hitzetage gab es in Wien im Schnitt zwischen 1970 und 1980. Zwischen 2010 und 2020 waren es bereits 28,4 Hitzetage. Dieses Jahr ist noch lange nicht vorbei und es waren bislang 31 Hitzetage. Etwa 50 dürften es 2050 werden – nicht als Rekord, sondern im Schnitt. Und die Hitzetage werden nicht nur mehr. Sie werden auch noch heißer. Der Trend betrifft alle Regionen und vor allem die Städte – Innsbruck sogar stärker als Wien.

Es gibt den Trend auch bei Nächten. Immer öfter fallen die Temperaturen nachts nicht mehr unter 20 Grad. In diesen sogenannten “Tropennächten” kann man sich weniger gut von der Hitze des Tages erholen. 

47.000 Hitzetote in Europa im vergangenen Jahr

Das ist nicht nur unbequem, sondern gefährlich. Denn Hitze belastet die körperliche und psychische Gesundheit stark. Studien zeigen: im vergangenen Jahr sind in Europa 47.690 Todesfälle auf Hitze zurückzuführen. In Österreich waren es 486 Menschen. 

Das ist die zweithöchste Zahl des Untersuchungszeitraums von 2015 bis 2023. Nur 2022 starben noch mehr Menschen hitzebedingt, nämlich über 60.000. 

Ärmere leiden stärker unter Hitze

Doch Hitze trifft nicht alle Menschen gleich. Ärmere Menschen und gewisse Berufsgruppen wie Bauarbeiter:innen sind Hitze stärker ausgesetzt. Für Kinder, Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen ist sie wiederum besonders gefährlich. 

Extreme Temperatur – sowohl Hitze als auch Kälte – sei eine Herausforderung für jeden Organismus, sagt Hanns Moshammer von der Organisation Ärzte und Ärztinnen für eine gesunde Umwelt bei einem Pressegespräch. Eingeladen wurde von der Umweltschutzorganisation Global 2000 zur Präsentation eines Hitzeschutzpakets für armutsbetroffene Menschen. Gegen Kälte hätten wir gelernt, uns zu schützen. Gegen Hitze nicht. Und manche Bevölkerungsgruppen haben gar keine Möglichkeit, sich zu schützen, macht der Wissenschaftler deutlich: “Der globale Temperaturanstieg und die damit einhergehende zunehmende Hitze in Österreich erschweren die Situation von Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind, noch mehr. Sie stellen ein zusätzliches Gesundheitsrisiko dar. Nach wie vor wird diese Thematik in unserer Gesellschaft ausgeblendet, bestenfalls unterschätzt.“

Acht von zehn armutsbetroffenen Familien hätten bei Befragungen angegeben, dass sie die Auswirkungen der Klimakrise stark am eigenen Leben spüren würden, erklärt Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich. Das schränke auch die soziale Teilhabe von Kindern ein, weil sich viele Familien Ausflüge ins Schwimmbad oder einen See nicht leisten können. 

“Die meisten Befragten benötigen eine bessere Isolierung der Wohnung, brauchen mehr Möglichkeiten, sich während Hitzeperioden kostenlos abkühlen zu können und wünschen sich mehr Grünflächen in der Nähe der Wohnung”, resümiert Fenninger. 

Es braucht ein Hitzeschutzpaket

Genau das fordern die Organisationen Volkshilfe, Caritas, Ärzte und Ärztinnen für eine gesunde Umwelt und Global 2000 im Pressegespräch. Konkret sollen mehr Grünflächen geschaffen und versiegelte Flächen wieder entsiegelt werden. Gebäude sollen hitzebeständig gebaut und saniert werden. Dafür braucht es Mindeststandards und finanzielle Mittel. Wobei darauf geachtet werden soll, dass vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen entsprechend unterstützt werden. 

“Die Klimakrise betrifft alle. Aber armutsbetroffene Menschen leben besonders häufig in schlecht isolierten Wohnungen inmitten von Betonwüsten und können sich nicht schützen”, sagt Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000: “Diese wichtigen Klimaschutzmaßnahmen sollen der gesamten Bevölkerung zu Gute kommen, nicht nur einigen wenigen, die es sich leisten können.“

Hitze belastet Gesundheitssystem und deren Angestellte

Andere Lösungen braucht es für Menschen, die nicht im privaten Bereich, sondern im Job der Hitze und anderen Wetterextremen ausgesetzt sind. Der Frage, wie gesundes Arbeiten im Hitzesommer funktionieren kann, hat sich kürzlich auch das “Wissenschaftsnetz Diskurs” gewidmet. 

Andrea Schmidt von der Gesundheit Österreich GmbH warnte in diesem Rahmen vor Auswirkungen auf das Gesundheitssystem. Menschen in Gesundheitsberufen seien in ihrem Arbeitsalltag doppelt gefordert. Einerseits durch mehr Patient:innen – nach Hitzschlägen, Kreislaufproblemen oder auch Notfalleinsätzen bei Extremwetterereignissen. Andererseits sorgt die Hitze auch bei ihnen für weniger körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. 

In einer Befragung gaben sieben von zehn Menschen in Gesundheitsberufen an, dass sie psychische Stressreaktionen durch Klimafolgen wie Reizbarkeit, Angst oder Hilflosigkeit befürchten. Ebenso viele sehen Risiken für die eigene Gesundheit und die ihrer Kolleg:innen. Zwei Drittel geben an, dass Unfallrisiken durch hitzebedingte Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten, Ermüden und Schlafmangel ansteigen. Mehr als die Hälfte sagt das auch über das Risiko für psychische Erkrankungen aufgrund von Klimafolgen. 

Dabei gerät das Gesundheitssystem in Österreich bereits ohne Hitze an seine Grenzen. Immer wieder werden Abteilungen in Krankenhäusern geschlossen, weil Mediziner:innen und Pflegekräfte fehlen. Seit Jahren spricht man über den zunehmenden Fachkräftemangel oder fehlende Mediziner:innen. 

Zu heiß zum Hackeln für Bauarbeiter:innen

In anderen Berufsgruppen gibt es andere Herausforderungen. Bauarbeiter:innen sind der Hitze in ihrem Job ausgesetzt wie kaum eine andere Berufsgruppe. Etwa die Hälfte der Arbeiter:innen ist durch Hitze in ihrer beruflichen Tätigkeit belastet, zeigt eine Umfrage des Foresight Instituts im Auftrag des Momentum Instituts. Für die Gruppe bestehend aus Angestellten, im öffentlichen Dienst Beschäftigten und freien Dienstnehmer:innen (38 Prozent) sowie für Selbstständige (36 Prozent) ist das ebenfalls aber weit weniger der Fall.

 
 
 
 
 
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Nicht nur, aber auch um die Arbeitnehmer:innen – sowohl im Gesundheitswesen als auch der Bau- oder anderen Branchen – vor der Klimakrise zu schützen, gibt es seit diesem Jahr den Nationalen Hitzeschutzplan. 

Was steht im Nationalen Hitzeschutzplan?

Der Nationale Hitzeschutzplan sieht unterschiedliche Maßnahmen vor, um die Menschen vor Hitze zu schützen. Einerseits gibt es seither wie für Wind und Regen auch ein Warnsystem für Hitze. Es gibt ein Hitzetelefon der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) für Hilfe zum richtigen Umgang mit Hitze. 

Außerdem wird in diesem Plan empfohlen, auf lokaler und regionaler Ebene lang- und kurzfristige Pläne gegen und Schutz vor Hitze umzusetzen. Das bedeutet zum Beispiel: Für besonders gefährdete Personen wie Obdachlose, im Freien Arbeitende oder auch Athlet:innen soll ein Plan erstellt werden, wie die Menschen im Akutfall geschützt werden können. Dafür braucht es Anpassungen der Infrastruktur. Das können mehr Grünräume sein, oder gekühlte und zugängliche Veranstaltungs- und Gemeinschaftsräume. 

Besonders gefährdete Personen sollen bei entsprechender Gefahr auch aktiv durch Gesundheitseinrichtungen oder Sozialorganisationen aufgesucht werden. Dazu gibt es Beispiele aus Frankreich und Italien. Dort werden besonders gefährdete Personen – nach ihrer Zustimmung – auf Gemeindeebene erfasst und bei Hitzewarnungen kontaktiert. 

Für Gesundheitseinrichtungen und Sozialorganisationen sollen individuelle Hitzeschutzpläne erstellt werden. Darin enthalten beispielsweise die Empfehlung, Temperaturen in Zimmern zu überwachen und ausreichend Getränke zur Verfügung stehen zu stellen. Terminpläne sollen an Temperaturen angepasst und beispielsweise Physiotherapeuten in kühlere Tageszeiten verlegt werden. Für das alles sollen ausreichende Personalressourcen sichergestellt werden. 

Damit all die Empfehlungen des Nationalen Hitzeschutzplans umgesetzt werden können, muss teilweise wohl noch politische Vorarbeit geleistet werden. Sinnvoll wäre das auf jeden Fall. Laut den Studienautor:innen wäre die hitzebedingte Sterblichkeit ohne die schon bisher verwirklichten Anpassungen sogar noch um 80 Prozent höher gewesen. 

Genug ist das aber noch nicht. Die Menschen müssen vor der zunehmenden Hitze auch zunehmend geschützt werden. Ob der Nationale Hitzeschutzplan das bereits ausreichend leisten kann, wird erstmal die Bilanz nach diesem Sommer zeigen.

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