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Ungleichheit
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Marlene Engelhorns „Guter Rat für Rückverteilung“ endet: Wie geht Vermögensverteilung in einer Demokratie?

Marlene Engelhorns „Guter Rat für Rückverteilung“ endet: Wie geht Vermögensverteilung in einer Demokratie?
Marlene Engelhorn bei der Eröffnung des Guten Rats. Nun stehen die Ergebnisse fest. Foto: Hanna Fasching/Der Gute Rat
Der gute Rat hat fertig beraten. 50 Menschen haben entschieden, wie das Erbe von Millionenerbin Marlene Engelhorn rückverteilt werden soll. 25 Millionen Euro werden an 77 Projekte und Organisationen gehen. Noch wichtiger als die Frage „Wer kriegt was?“ ist die Frage „Wie geht Vermögensverteilung in einer Demokratie?“

Es würden wohl die wenigsten „danke“ sagen, wenn man deren Millionenerbe wegnehmen und verschenken würde. Marlene Engelhorn sagt genau das: „Danke. Ohne Scheiß jetzt. Riesending. Großes Danke.“

Was passiert mit Marlene Engelhorns Erbe?

Anfang des Jahres ging es los mit dem von ihr gegründeten „Guter Rat für Rückverteilung“. Er ist eine Art Mini-Parlament der Bürger:innen. 50 zufällig und nach repräsentativen Merkmalen für die Gesamtbevölkerung ausgewählte Personen sollten darüber entscheiden, was mit ihrem Erbe passieren soll. Konkret: Mit 25 Millionen Euro. Engelhorn selbst gab sich kein Mitspracherecht.

An sechs Wochenenden hat der Gute Rat beraten. Begleitet von Expert:innen zu den Themen Vermögensverteilung und deren Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft in Österreich. Nun hat er entschieden.

25 Millionen sollen auf 77 Projekte aufgeteilt werden. Noch wichtiger als die Empfänger:innen des Geldes ist die Frage: Wie geht Vermögensverteilung in einer Demokratie? Was können wir vom guten Rat lernen?

Vermögen ist in Österreich ungerecht verteilt

Vermögen ist in Österreich extrem ungleich verteilt. So ungleich wie in keinem anderen Land der Eurozone. Die reichsten fünf Prozent besitzen mit 55 Prozent mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens. Die anderen 95 Prozent der Bevölkerung teilen sich die übrigen 45 Prozent. Die unteren 50 Prozent der Haushalte besitzen gar nur vier Prozent. Das zeigt eine Auswertung des Momentum Instituts von Daten der Europäischen Zentralbank (EZB).

Eine solch extreme Vermögensungleichheit gefährdet die Demokratie. Weil mit Vermögen Macht einhergeht – durch Einfluss auf Politik und Medien sowie übermäßige Repräsentation in Medien.

Und in Österreich wird nicht dagegen gearbeitet. Im Gegenteil. Es gab mal eine Steuer auf Vermögen. Sie wurde 1993 abgeschafft. Die Erbschaftssteuer gab es bis 2007. Auch die Kapitalertragsteuer wurde nach und nach niedriger.

Die Grafik zeigt die Steuerstruktur in Österreich 2019. Nur Knapp 9 von 100 Euro kommen aus vermögensbezogenen Steuern und Unternehmensgewinnen. Der Großteil kommt aus Steuern auf Arbeit und Konsum.

Nur 9 von 100 Steuereuro kommen aus vermögensbezogenen Steuern und Unternehmensgewinnen. Der Großteil kommt aus Steuern auf Arbeit und Konsum

Drei Viertel in Österreich für Vermögenssteuer

7 von 10 Menschen finden das – die Vermögensverteilung in Österreich – ungerecht. Das zeigte eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Momentum Instituts. Drei Viertel der Befragten zweifeln deshalb daran, dass das politische System ausreichend gut funktioniert. Zwei Drittel der Bevölkerung sprachen sich für eine Vermögenssteuer aus. Wie Marlene Engelhorn.

Engelhorn über den guten Rat: „Beste Entscheidung“

Die Millionenerbin setzt sich für Vermögens- und Erbschaftssteuern ein. Mit der Inititative „Guter Rat für Rückverteilung“ soll demokratisch entschieden werden, was mit ihrem Erbe passiert. Denn einzelne Personen sollten nicht die Macht haben, zu entscheiden, wer und was in einer Demokratie finanziert wird und was nicht, ist Marlene Engelhorn überzeugt.

„Es war die beste Entscheidung überhaupt, der Gesellschaft anzuvertrauen, was man mit Vermögen machen kann. Und sie haben bewiesen: Sie können es so viel besser als ich Einzel-Pappnase das jemals schaffen würde.“

@moment_magazin Wie fühlt es sich an, um 25 Millionen Euro leichter zu sein? 🤔 Marlene Engelhorn macht es vor.    Der Bürger:innenrat @Guter Rat hat fertig beraten. 50 Menschen haben entschieden, wie das Erbe von Millionenerbin Marlene Engelhorn rückverteilt werden soll. 25 Millionen Euro werden an 77 Projekte in Österreich gehen. Wir haben mit Marlene gesprochen. ⬆️   Was wir von dieser Initiative lernen können? Die reichsten 5% besitzen 55% des Gesamtvermögens, während die unteren 50% nur 4% haben.  ⚖️ Eine solch extreme Vermögensungleichheit gefährdet die Demokratie. Weil mit Vermögen Macht einhergeht – durch Einfluss auf Politik und Medien sowie übermäßige Repräsentation in Medien.   Mehr zu Marlene Engelhorn und zu den Hintergründen ihres Projektes, erfährst du auf Moment.at 🔗   #marleneengelhorn #engelhorn #gerechtigkeit #taxmenow #taxtherich #fairness #erbe #guterrat #guterratinfo #vermögen #vermögenssteuer #bürgerinnenrat #bürgerrat #reichtum #umverteilung #arm #reich ♬ Originalton – Moment Magazin

Auch Projektleiterin Alexandra Wang ist begeistert über die Arbeit und das Ergebnis der Initiative. Es habe gezeigt, dass Menschen zusammenkommen können und Entscheidungen über die richtig großen Fragen der Gesellschaft finden können, wenn man ihnen die Zeit gibt. 

Ein Bürgerrat kann Vermögensverteilung nicht ersetzen

Ein Bürgerrat kann natürlich die Vermögensungleichheit nicht verringern und Vermögensverteilung nicht ersetzen. Der „Gute Rat“ gilt als Impuls für eine gerechtere und demokratischere Ausgestaltung der Vermögensverteilung.

Wer bekommt das Geld von Marlene Engelhorn?

Die Ratsmitglieder haben 77 Projekte ausgewählt, unter denen die 25 Millionen Euro rückverteilt werden. Die meisten Summen werden über mehrere Jahre ausbezahlt. Die Projekte seien dabei ganz unterschiedlich. Manche unterstützten Betroffene direkt, andere informieren die Gesellschaft o.Ä. „Alle Entscheidungen verbindet: Sie wollen eine gerechtere Gesellschaft. Sie wollen das gute Leben aller und diejenigen unterstützen, die diskriminiert werden“, sagt Alexandra Wang. 

Unterstützt wurden Projekte aus unterschiedlichen Bereichen, mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Darunter im Bereich Klima- und Naturschutz, Gesundheit und Soziales, Wohnen und Bildung sowie Demokratie und Information. Die größten Summen erhalten Naturschutzbund Österreich (1.632.400 Euro), neunerhaus – Hilfe für obdachlose Menschen (1.590.000), Momentum Institut – Verein für sozialen Fortschritt (1.226.000 Euro), Attac Österreich: Netzwerk für eine demokratische, sozial- ökologisch- und geschlechter-gerechte Gestaltung der Wirtschaft (1.070.400 Euro), Schule im Aufbruch Österreich GmbH (936.000 Euro), Teach For Austria gGmbH (924.000 Euro), Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern (860.000 Euro), ARCHE NOAH (738.400 Euro). 

„Es wurde nicht nur Geld verteilt, sondern auch Respekt und die Chance auf ein besseres Leben für ganz viele Menschen“, sagt Ratsmitglied Angelika Taferner über die Arbeit im guten Rat. 

 

Anmerkung im Sinne der redaktionellen Transparenz: Das Momentum Institut gibt als gemeinnütziger Verein MOMENT.at heraus. Wir freuen uns sehr, dass die Bürger:innen des Guten Rats unsere Arbeit für unterstützenswert halten. Auch Marlene Engelhorn selbst hat uns in der Vergangenheit unterstützt. Wir finden, ihr solltet das wissen. Einfluss auf unsere Arbeit hat das nicht. Das Momentum Institut nimmt grundsätzlich keine Spenden, die an inhaltliche Bedingungen geknüpft sind.

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    Kommentare 2 Kommentare
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  • frizzdog
    19.06.2024
    na bitte, alles ist wieder gut: wieder einmal ein "beweis" für "weniger staat - mehr provat"? ...und wird das jetzt zur neuen ausrede für die fehlende erbschaftssteuer?? höchste zeit für neue wahlen!
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    • Tom Schaffer
      19.06.2024
      "…und wird das jetzt zur neuen ausrede für die fehlende erbschaftssteuer??" Das Gegenteil ist der Fall.