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Ungleichheit
Demokratie

Gender-Verbot: Niemand findet Gendern so wichtig wie die, die es ablehnen

Gender-Verbot: Niemand findet Gendern so wichtig wie die, die es ablehnen
Die Befürworter:innen von Verboten für gendergerechte Sprache sagen gerne, es gehe ihnen um die Lesbarkeit und Verständlichkeit. Dass es darum bei Gender-Verboten in Wahrheit aber gar nicht geht, zeigt derzeit die Regierung in Bayern. Natascha Strobl analysiert.

Das mutige Bayern hat vor wenigen Monaten seine Welt gerettet. Ein Gender-Verbot wurde beschlossen. Binnen-I, Doppelpunkt und Gender-Stern sind in Schulen und Behörden untersagt. Nun wollte die bayrische Kulturministerin Anna Stolz auch noch die Paarform verbieten, bei der sowohl weibliche als auch männliche Begriffe genannt werden. Die “übertriebene” Verwendung der Paarform sollte unzulässig werden. Der Vorstoß wurde verhindert.

Verwirrend wäre er jedenfalls gewesen. Denn: Wann, liebe Politikerinnen und Politiker, soll die korrekte Benennung der Realität “übertrieben” sein? Wäre dann nur am Anfang des Textes die Paarform zulässig? Nur in der Anrede eines Textes? Wäre es übertrieben, konsequent “Schülerinnen und Schüler” zu schreiben, wenn man die eigene Klasse benennt? Fragen über Fragen, die nicht geklärt wurden, bevor man populistisch Verbote fordert. Das alles zeigt, dass es nicht um Fragen der Anwendbarkeit geht, sondern um Kulturkampf.

Gender-Verbot: Macht statt Lesbarkeit

Die Lesbarkeit und Verständlichkeit von Texten ist ein hehres Ansinnen – vor allem für Schulbücher und besonders für Schüler:innen, die eine andere Erstsprache als Deutsch haben. Würde man dieses Ansinnen konsequent verfolgen, dann müssten Schulbücher (aber auch Elternbriefe) von vorne bis hinten überarbeitet werden. Das “Gendern” macht nicht aus einem leicht verständlichen Text einen unlesbares Kauderwelsch. 

Man müsste Syntax, Semantik und Text/Satzlängen überarbeiten. Selbstverständlich würde dann der nächste Kulturkampf folgen: Werden Texte vereinfacht, folgt darauf wie das Amen auf das Gebet eben, dass damit Schüler:innen dümmer würden. Egal, wie man es dreht und wendet, ein Kulturkampf ist immer möglich. 

Die Linken ärgern

Schüler:innen, die 19 Strophen von Schillers Glocke auswendig lernen, haben gröbere intellektuelle Aufgaben zu bewältigen, als das Wort “Schüler:innen” korrekt zu lesen. Aber selbst, wenn man sich auf das Argument einlässt, entzaubert sich dieses spätestens mit der Ablehnung der Paarformen. “Schülerinnen und Schüler” ist in jeder Variante der deutschen Sprache der letzten 200 Jahre eine korrekte Form. 

Doch darum geht es den Kulturkrieger:innen für ein Gender-Verbot gar nicht: Es geht um Macht. Es geht darum, es „den Linken” einmal so richtig zu zeigen. In der Welt des Kulturkampfes wird das Gendern als eine der Hauptwaffen der Linken dargestellt, die dadurch die Weltherrschaft erreichen wollen. Der Kampf gegen das Gendern sei dann also erste Widerstandspflicht. Das führt dazu, dass man weder progressive noch pragmatische Argumente gelten lässt, sondern sich in eine Fantasiewelt wütet, in der auch die völlig korrekte weibliche Form verboten werden soll. Aus 75 Prozent Mädchen in einer Klasse werden „Schüler“, aber aus den 25 Prozent Burschen würden nie “Schülerinnen” gemacht werden.

Übers Gendern reden vor allem rechte Kulturkämpfer:innen

Diese übertriebene Bedeutung geschlechtergerechte Sprachen geben ihr aber rechte Kulturkämpfer:innen völlig alleine. Niemand findet Gendern so wichtig wie jene, die es ablehnen. Sie können es nicht ertragen, dass jede Person nach eigenem Gutdünken handelt (das wäre dann ja auch echter Liberalismus). 

Also setzt man die eigene Moral absolut und demonstriert überschießend Macht: Man erteilt Sprechverbote. Es geht nie wirklich um die Sache, sondern darum, anderen eins reinzuwürgen. Das ist die Basis der Kulturkampf-Politik. 

In Bayern wurde nach Protesten vom sinnlosen Verbot der Paarform zurückgerudert. Man behält sich das Verbot aller geschlechtergerechten Schreibweisen aber für die Zukunft weiter vor. Der nächste Wahlkampf kommt bestimmt.

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  • kOaN
    20.07.2024
    Danke für den Artikel folgend meine Gedanken dazu: Ich denke, wir können uns alle darauf einigen, dass es den Gegner:innen einer gendergerechten Sprache, ich verwende ja lieber den Begriff inklusiven Sprache, nicht um die einfache Lesbarkeit geht. Für einen „Kulturkampf” braucht es meist zwei Seiten, die beide wohl mittlerweile starre Standpunkte eingenommen haben. Ich denke, das ist nicht unbedingt förderlich für eine Lösung des Problems. Ich glaube, dass auf beiden Seiten der Kampf zum Selbstzweck geworden ist und immer weitere Argumente produziert, warum die andere Seite ganz und gar verabscheuungswürdig ist. Ich finde, dass nur die „rechte” Seite mit Sprechverboten agiert, ist eine gewagte These. Es ist leider so, dass es in diese Richtung geht, wenn konservative oder rechte Parteien in Regierungsverantwortung sind (siehe Bayern). Aber auch die Ergebnisse der Identitätspolitik von Links sind nicht von schlechten Eltern, würde ich mal meinen. Ich glaube, dass universelle Menschenrechte, die Gleichheit aller Menschen, auf dem Weg verloren gehen, wenn wir sie gegen Rechte einzelner Gruppen oder auch Themen wie gendergerechte Sprache eintauschen. Dadurch überlassen wir das Feld immer mehr den rechten und konservativen Gruppierungen. Das ist sehr bedauerlich. Vor allem zieht es einen immer größeren Teil der Durchschnittsbevölkerung auf die konservative Seite, da die meisten mit den linken Gedanken und Argumenten zu diesen Themen nichts mehr anfangen können. Um das in Erfahrung zu bringen muss mensch nur aus den Ballungsräumen bzw. dem universitären Umfeld rausfahren und mit den Menschen auf dem Land ins Gespräch kommen. Dort gilt es die Menschen zu überzeugen, dann werden sie nicht konservativ oder rechts wählen. Dies gilt meiner Meinung nach für alle aktuell "brennenden" Themen, nicht nur für das, zwar polarisierende aber im Vergleich nicht wirklich wichtige, Thema der inklusiven Sprache. Die Rechten tun das mit Erfolg, (nicht nur am Land sondern auch in fast allen Außenbezirken von Wien) die Linke zieht sich immer mehr in die intellektuelle Blase zurück und beweihräuchert sich selbst und ihre Thesen. Selbstkritik, aber auch ein konstruktiver Umgang mit feedback von außen, um die eigenen blinden Flecken sichtbar zu machen, sind Dinge die leider kein Thema sind. Im Gegenteil, Kritiker:innen werden immer leiser oder halten sich komplett raus, da niemand Lust auf einen Shitstorm oder Angriffe auf persönliche Lebensbereiche hat. Abseits von einfachen Parolen und das Aufbauen von Feinbildern (das macht Rechts und Links mittlerweile gleich gut und auf Augenhöhe) gäbe es genügend Argumente (siehe z.B.: Piketty) um die wirklichen Ziele der Rechten ganz leicht aufzudecken. Daher danke für ihre Beiträge, die jedenfalls zum Diskurs beitragen. Aber dazu muss mensch lesen, selbst überlegen und in den Austausch gehen, ob in gendergerchten Sprache oder nicht ist da, meiner Meinung, nicht so entscheidend.
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  • Audiatur
    17.07.2024
    Das Regelwerk der deutschen Sprache verantwortet der hochkarätig und international besetzte Rat für deutsche Rechtschreibung. Erst vor wenigen Tagen hat er daran erinnert: Sonderzeichen im Wortinneren - Politiker:innen, Schüler*innen - gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Sprache. Diese Form des Genderns ist also „fehlerhaftes Deutsch“. Nicht barrierefrei überdies.
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  • frizzdog
    17.07.2024
    ....auch der Ukrainekrieg hat mit dem verbot von russischen schulbüchern in der ostukraine begonnen....
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  • frizzdog
    17.07.2024
    ->lehrer: beklagen sich die nicht dauernd, dass sie durch übertriebene "bürokratie" vom lehren abgehalten werden?? und jetzt führen sie zusätzliche rechtschreibkorrekturen ein. na die haben sorgen dort!
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    • frizzdog
      17.07.2024
      ...wie wärs, auch gleich das pöse wort "links" zu verbieten, dann gibts auch die linken nimmer...