Mehr Förderung und Entschädigung fürs Ausbilden? Lehrbetriebe zwischen Fachkräftemangel und Ausbildungsverweigerung

Fachkräfte auszubilden, ist anspruchsvoll. Betriebe, die sich dazu verpflichten, tragen zweifellos große Verantwortung. Einen jungen Menschen auszubilden, verlangt Zeit, Geduld, didaktische Kompetenz und natürlich auch Geld.
Aber es lohnt sich auch. Betriebe machen es eben nicht als Ehrenamt und nicht ohne Eigennutz. Die Lehre ist ein wirtschaftliches Investment, von dem Betriebe selbst profitieren. Sie investieren in die Fachkräfte, ohne die sie selbst nicht existieren können – in die Entwicklung der gesamten Branche, aber vor allem in das eigene Arbeitspersonal.
Betriebe mit der Gießkanne gefördert
Obwohl sie selbst davon profitieren, sind Betriebe beim Ausbilden schon heute durchaus nicht auf sich allein gestellt. Die Allgemeinheit in Österreich stellt den Betrieben 280 Millionen Euro für Ausbildungs-, Internats- und Lehrlingsgehaltskosten zur Verfügung. Der WKO ist dies laut einem aktuellen Vorstoß angesichts steigender finanzieller Belastung zu wenig. Ohne mehr Geld würden Betriebe womöglich weniger ausbilden. Aber braucht es wirklich mehr staatliche Förderungen?
Nein, findet die Gewerkschaft. Die bestehende Förderung werde jetzt schon nicht zielsicher eingesetzt, bemängelt ein damit befasster Ökonom der Gewerkschaft GPA gegenüber MOMENT.at. Förderungen werden mit der Gießkanne ausgeschüttet, heißt es dort. Entschädigungen seien nicht ausreichend an Qualitätskontrollen geknüpft. Betriebe, die mangelhaft ausbilden, bekommen momentan gleich viel wie hochengagierte Arbeitsstellen. Eine Erhöhung der Förderbeiträge liefe nur auf ein zielloses Verpulvern von Steuergeldern hinaus – ohne qualitativen Mehrwert für auszubildende Lehrlinge.
Damit gewisse Qualitätsstandards in der Lehre sichergestellt werden können, wünscht sich die GPA eine verstärkte Kontrolle der Betriebsausbildung. So könnte man sich auch von einem sinnvollen Einsatz des Fördergeldes vergewissern.
Abgeworbene Lehrlinge als Streitpunkt
Österreich mangelt es trotz Förderung immer wieder an Fachpersonal. Vor allem in der Tourismus- und Gastrobranche suchen Betriebe derzeit “händeringend” nach Verstärkung. Besonders frustrierend findet es die WKO, wenn die Konkurrenz einen ausgebildeten Lehrling von dessen Ausbildungsbetrieb abwirbt. Zeit und Kosten seien in die Ausbildung einer Arbeitskraft geflossen, die dann letztendlich nicht im Betrieb verbleibt. Die Wirtschaftskammer fordert daher eine Entschädigung durch jene Arbeitsstellen, die ausgebildete Lehrlinge von ihrem Lehrbetrieb abwerben.
Auch diesem Anliegen kann die GPA wenig abgewinnen. So eine Regelung würde jede Art der Ausbildung ad absurdum führen. Andere Unternehmen bezahlen die Ausbildungsstätte oder den früheren Arbeitsplatz einer Arbeitskraft auch nicht dafür, dass sie dort nützliche Erfahrungen für die neue Stelle sammeln konnte. Die Schulung des Nachwuchspersonals sei, wie jede Ausbildung, ein Investment in die gesamte Branche.
Eine Ausbildungsentschädigung wäre zudem ein Hindernis für junge Fachkräfte, den Job wechseln zu können. Sie bräuchten dann einen neuen Betrieb, der eine Ablöse zahlen will, statt sich für ihre Arbeit die besten Bedingungen und Löhne suchen zu können. Und der alte Betrieb müsste sich wiederum weniger darum kümmern, seinen geschätzten Arbeitnehmer:innen genau das zu bieten.
Betriebe müssen Verantwortung übernehmen
Ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften wird nicht beseitigt, wenn Betriebe das Lehren weitgehend ablehnen. Ein Drittel der Betriebe habe aufgehört, auszubilden und die Verantwortung für Nachwuchsförderung damit abgegeben, berichtet die GPA. Gerade im Tourismus würden Betriebe viel zu wenig ausbilden, gleichzeitig aber am lautesten den Fachkräftemangel beklagen. Ein selbstverursachtes Dilemma, sagt der Ökonom.
Aber dagegen könnte man etwas machen. Die Gewerkschaft fordert seit langem eine Art der “Ausgleichstaxe” für Ausbildung. Nicht nur der Staat soll die Ausbildung in Betrieben finanzieren. Alle Unternehmen, die selbst keinen Nachwuchs ausbilden, sollen dann in einen Topf einzahlen, aus dem die etwas herausbekommen, die jungen Menschen eine Chance geben. Von qualifizierten Lehrkräften profitierten schließlich alle.