Geld fürs Nichtstun
Ich frage mich, wo dieses Schlaraffenland liegt, in dem Menschen angeblich leben, die Mindestsicherung beziehen. Dort, wo sie fürs Nichtstun so viel Geld bekommen, dass sich Arbeiten nicht mehr auszahlt.
Ganze drei Monate lang haben wir Mindestsicherung bekommen, weil mein Mann erkrankte und das Krankengeld von nicht einmal 300 Euro niemals zum Leben gereicht hätte. Drei Monate Mindestsicherung, das ist keine Erholung, kein Aufatmen, das ist knappes Überleben. Ich war trotzdem unheimlich froh darüber und habe im Bekanntenkreis davon erzählt. „Ich würde auch gerne so viel Geld fürs Nichtstun bekommen wie du“, war die Antwort.
Ich frage mich, wo dieses Schlaraffenland liegt, in dem Menschen angeblich leben, die Mindestsicherung beziehen. Dort, wo sie fürs Nichtstun so viel Geld bekommen, dass sich Arbeiten nicht mehr auszahlt. Die Realität sieht natürlich anders aus, aber der Neid auf diejenigen, die ohnehin nichts mehr haben, hält sich hartnäckig. Nichts an der Mindestsicherung macht besonders viel Spaß. Wir haben sie nur bekommen, weil wir kaum Einkommen und kein Vermögen haben. Was daran ist beneidenswert?
Geld ist kein Kuchen, der immer gleich groß bleibt und aufgeteilt werden muss. Wenn ein Mensch die 900 Euro Mindestsicherung vom Staat bekommt, wird die Miete eines anderen dadurch nicht höher. Wer nicht für einen Lohn arbeiten möchte, der unter der Armutsgrenze liegt, ist nicht dafür verantwortlich, dass die Stromrechnung für jemand anderen unbezahlbar ist. Wer seinen Frust an Menschen wie uns abarbeitet, wird damit auch in Zukunft nicht verhindern, dass Konzernchefs einander trotz Massenentlassungen fette Boni zuschieben.
Wir haben drei Monate lang Mindestsicherung bezogen und das war wichtig. Ohne sie hätten wir diese Monate nicht überlebt. Beneidenswert? Ich denke nicht.
Das könnte dir auch gefallen
- Mehr Förderung und Entschädigung fürs Ausbilden? Lehrbetriebe zwischen Fachkräftemangel und Ausbildungsverweigerung
- Sozialer Wohnbau in der Krise: Was der Staat tun muss
- „Weckruf“ – der Alltag im Hort zwischen Bildung, Betreuung und Berufung
- “Darf ich mich überhaupt melden? Ich schlage meine Frau nicht”: Männer in der Krise – wie die Männerberatung hilft
- Von Bratislava nach Wien: Warum tausende Frauen in Europa für ihre Rechte reisen müssen
- Und wer regiert uns jetzt?
- Post bietet Lieferando-Gekündigten neue Jobs an: Ein ernsthaftes Angebot?
- Rassismus-Bericht 2024: Rassismus macht krank