Die Ideologie des Paarlebens: Vier Mythen über alleinstehende Frauen
Die Weihnachtszeit naht. Das ist auch die Zeit, in der alleinstehende Frauen vermehrt von Familienmitgliedern gefragt werden, woran es liegt, dass sie noch nicht "unter der Haube" sind.
Dieses Phänomen hat einen historischen Hintergrund: Früher war es Frauen tatsächlich nicht möglich, sich selbst zu versorgen und gesellschaftliche Anerkennung als Einzelperson zu bekommen. Diese Zeiten haben sich zwar geändert, die Ideologie des Paarlebens allerdings nicht.
Falls der Großvater also dieses Jahr wieder nachfragt, hier ein Reality Check zu vier gängigen Mythen über Singles:
#1 Alleinstehende sind einsamer als Menschen in Beziehungen
Wer ohne Partner ist, ist einsam, so die gesellschaftliche Zuschreibung. Dabei ist das oft Gegenteil der Fall. Alleinstehende verfügen häufig über ein starkes soziales Netzwerk und haben ein engeres Verhältnis zu ihren Eltern, Geschwistern, FreundInnen, NachbarInnen und KollegInnen als Verheiratete. Besonders Mutterschaft kann – entgegen allen idealisierenden Zuschreibungen – mit dem Gefühl von Einsamkeit und sozialer Isolation einhergehen, mit dem Rückzug ins Private, mit mangelnden Zeit- und Energieressourcen für tiefe Beziehungen jenseits der Partnerschaft.
#2 Beziehungen stärken den Selbstwert
In einer deutschen Studie wurden mehr als 9.000 Erwachsene in unterschiedlichen Beziehungsstadien befragt: während sie romantische Beziehungen eingingen oder beendeten oder allein lebten. Das Ergebnis: Beziehungen verbessern das Selbstwertgefühl nur dann, wenn sie gut funktionieren, stabil sind und ein Jahr oder länger halten. Menschen, deren Beziehungen kürzer waren, hatten ein geringeres Selbstwertgefühl als jene Menschen, die alleinstehend blieben.
#3 Frauen leiden unter Single-Dasein mehr, als Männer
Massenmediale Bilder vermitteln häufig das Bild der immersuchenden Single-Frau, die ohne fixen Partner unvollkommen ist, während die sorgenfreien Single-Männer ihr Leben entspannt genießen. Die Forschung zeigt allerdings, dass alleinstehende Männer tendenziell mehr leiden, als alleinstehende Frauen. Denn während für viele Männer emotionale Intimität mit der Beziehung komplett wegfällt, leben Frauen ohne Partnerschaft diese weiterhin in ihren engen Freundschaften aus. Zusätzlich müssen sich Männer häufig wieder alleine Pflichten widmen, die zuvor in der Regel oft die Partnerin erledigt hat. Das beginnt bei Haushaltstätigkeiten und geht über die Organisation des Alltags bis hin zum Kümmern um Wohlbefinden und dem Herstellen von Harmonie („emotional labour“). Auch deswegen leiden Männer mitunter an einer Trennung stärker.
#4 Paare leben gesünder
In Beziehungen passen sich Paare häufig gegenseitig an die jeweiligen Gewohnheiten an. Während alleinstehende Männer eher zu risikoreichem Gesundheitsverhalten tendieren (Alkohol, rauchen, Fast-Food, Bewegungsmangel etc.), achten alleinstehende Frauen stärker auf einen gesunden Lebensstil. Dadurch haben Männer von einer Beziehung tatsächlich einen gesundheitsfördernden Nutzen, unter anderem durch das Gesundheitsmanagement der Partnerin, wie das Erinnern an medizinische Vorsorge. Für Frauen kann eine heterosexuelle Beziehung gesundheitlich nachteilige Effekte haben. Insgesamt tendieren Menschen in Beziehungen zuzunehmen, besonders, wenn sie zusammenwohnen.
Kurz zusammengefasst:
- Viele gesellschaftliche Konstruktionen und Klischees über das weibliche Single-Dasein sind empirisch nicht belegt.
- Der Beziehungsstatus sagt nichts darüber aus, wie glücklich Menschen sind.
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