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Ungleichheit
Demokratie

Warum Aufstieg durch Bildung ein trügerisches Versprechen ist

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Aufstieg durch Bildung? Österreich hält dieses Versprechen einfach nicht ein. Unsere Chancen werden vererbt. Barbara Blaha erklärt, wieso Arbeiterkinder vor allem Glück brauchen - und was sich ändern muss.

Welche Karriere du machst, wieviel Geld du mal verdienst: Das hängt alles ab von den Entscheidungen, die wir ganz früh treffen. Von den großen Weggabelungen: Welche Volksschule? Hauptschule oder Gym? Hauptsache Matura!? Was studieren?

Nah. Blödsinn. Natürlich nur von der Frage, in welche Familie du geboren wirst!  Moment mal!

Bildung wird vererbt

Augen auf bei der Elternwahl! Wer einkommensstarke Eltern hat, braucht sich vor wenig zu fürchten. Das Leben ist auf Schiene. Bildung wird in Österreich vererbt wie die Briefmarkensammlung und das Wochenendhauserl. Tausendmal erforscht, tausendmal bestätigt, jetzt gerade wieder von der Statistik Austria: „Bildung in Zahlen 2022/23„. 

Die Rechnung ist ganz einfach: Haben die Eltern einen Hochschulabschluss, schafft mehr als jedes zweite Kind auch selbst einen Uni-Abschluss. Haben die Eltern keine Hochschulbildung, schafft es hingegen nur jedes Fünfte

Könnte egal sein – ist es aber nicht: Denn mit der Bildung verteilen wir Lebenschancen. Je höher der Abschluss, desto besser die Chancen. Wer nicht mehr als einen Pflichtschulabschluss hat, ist deutlich stärker armutsgefährdet als alle, die auf der Uni waren. Auch das Risiko, arbeitslos zu werden, ist für alle mit niedrigem Bildungsabschluss bedeutend höher.

Von Geburt an Chancen-arm

Wer maximal die Pflichtschule abgeschlossen hat, verliert in allen Finanzfragen: 

  • Er hat ein um 35 Prozent geringeres Jahreseinkommen als eine Person mit Universitätsabschluss. Ein Drittel weniger. 
  • Jeder Vierte lebt unter der Armutsgefährdungsschwelle – trotz Arbeit, trotz Sozialleistungen

Mit Uni-Abschluss landet man im Mittel rund 20.000 Euro über der Armutsgefährdungsschwelle. Arme Eltern haben arme Kinder – und diese Kinder spüren das ein Leben lang. Jedes dritte armutsgefährdete Kind lebt auch zwanzig Jahre später als junger Erwachsener in materieller Armut. 

Die Armut entscheidet, welchen Bildungsweg ein Kind einschlägt, wie hoch das spätere Einkommen und damit auch die spätere Pension sein wird, wie gesund und zufrieden das Kind mit dem eigenen Leben einmal sein wird. 

Schulsystem gegen das Versprechen Bildung

Dabei wird uns in jeder Sonntagsrede erzählt: Bildung ist das beste Mittel gegen soziale Ungleichheit. Hört sich gut an, ist aber verlogen. 

Bildung verspricht den Aufstieg. Aber das Schulsystem ist so gebaut, dass alles so bleibt, wie es ist. Und dass wir uns bitte nicht darüber aufregen – nicht gegen die Gesellschaftsordnung rebellieren. Das Versprechen gibt ja die Hoffnung und den Ansporn. Strengt euch an, dann wird was aus euch. Und wenn ihr es nicht schafft, na dann seid ihr wohl selbst Schuld. Ihr Dummerchen.

Was das Versprechen “Bildung = Aufstieg” nicht gebracht hat: ein Ende der sozialen Ungleichheit. Sehr wenige haben ganz viel. Sehr viele haben ganz wenig. 

Bildungspolitik kann Sozialpolitik nicht ersetzen

Bildungspolitik kann keine Sozialpolitik ersetzen, und solange es keine echte Sozialpolitik gibt, bleibt die Bildung der letzte Strohhalm. Die einzige Chance für den Aufstieg. 

Aber Kinder aus der Arbeiterklasse müssen schon überdurchschnittlich sein, damit sie für das Gymnasium überhaupt in Betracht gezogen werden. Sie werden bei gleichen Fähigkeiten sehr viel seltener für ein Gymnasium empfohlen, als Kinder aus privilegierten Familien. Volksschullehrer:innen überlegen bei ihren Empfehlungen sehr gründlich – bewusst oder unbewusst – ob die Familie ihr Kind fördern kann, ob eine Nachhilfe finanziell überhaupt drin ist.

 Die ist verdammt teuer, eine Einzelstunde kostet mittlerweile im Schnitt 37 Euro. Pro Jahr geben Eltern in Österreich über 120 Millionen Euro für Nachhilfe aus. Knapp jedes dritte Kind braucht hierzulande Lernunterstützung. 

Bildung an Eltern ausgelagert

Die Volksschullehrer:innen kommen dann eben oft zum Schluss: Das Arbeiterkind würde sich wohl nur abquälen auf der höheren Schule. Und sie haben leider allzu oft recht. Wir lagern in Österreich Schulbildung im großen Stil an die Eltern aus. Was auf der Schulbank nicht gelernt wird, muss am Küchentisch nachgeholt werden.

Eltern wollen das Beste für ihr Kind. Aber je nach Klassenlage schaut das Beste eben anders aus. Während manche Kinder mit 3 das erste Tablet geschenkt bekommen, teilen sich andere ihr Zimmer mit drei Geschwistern. Während die einen in den Sommerferien eine Sprachreise machen, sind die anderen froh, wenn der Eintritt fürs Freibad das Familienbudget nicht sprengt. 

Aufstieg als Ausnahme: Ohne Glück geht nichts

Vor unserem Schulsystem sind dann aber alle gleich. Und wir erwarten ernsthaft, dass die Schule auf magische Weise ausgleicht, was an unterschiedlichen Lebenschancen ausgeteilt worden ist? Klar, manche beißen sich durch. Später sind es dann ausgerechnet die seltenen Aufsteiger-Biografien, die herhalten müssen als Beweis: Schaut her, jeder und jede kann es schaffen! Wenn man sich nur genug anstrengt. Was nicht alles möglich ist, wenn man talentiert und fleißig ist!

Die statistisch ganz Wenigen, die, die es “nach oben” schaffen, hatten großes Glück. Ja. Glück. Diese paar Wenigen sind überdurchschnittlich begabt, smart, unfassbar diszipliniert und willensstark. Natürlich. Aber all das sind viele andere Arbeiterkinder auch. Das reicht nicht, wenn das Glück fehlt. Die eine Lehrerin, die an dich geglaubt hat. Eine beherzte Tante, die geholfen und Mut gemacht hat.

Was es braucht

Wir können nicht allen Kindern die engagierte Lehrerin oder die motivierte Tante schenken. Aber was wir tun könnten, wäre, auf die Forschung zu hören: Wir wissen aus zahlreichen Untersuchungen, dass die Kindergärten die erste und wichtigste Bildungseinrichtung sind, die Kindern mit weniger finanzkräftigen Eltern eine Chance geben können. Wer einen Kindergarten besucht, macht später einmal einen höheren Bildungsabschluss, hat ein höheres Einkommen und ein deutlich geringeres Risiko, arbeitslos zu werden. 

Österreich investiert nicht mal halb so viel in die frühkindliche Bildung wie skandinavische Länder. Während Österreich lediglich 0,7 Prozent der hiesigen Wirtschaftsleistung in die Betreuung von Kleinkindern steckt, sind es in Schweden 1,8 Prozent und in Norwegen mit 2 Prozent des BIP – also fast dreimal so viel. Höchste Zeit, dass wir hier unsere Hausaufgaben machen und österreichweit kostenlose, ganztägige Kindergartenplätze anbieten. Dafür brauchen wir engagiertes, gut ausgebildetes Personal – das wir im Gegenzug auch anständig zahlen. Und eine gemeinsame, ganztägige Schule für alle bis 14 sorgt dafür, dass alle eine Chance auf Bildung haben – unabhängig vom Geldbörserl der Eltern.

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    Kommentare 4 Kommentare
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  • Mikl
    02.06.2024
    So, netter Artikel. Trifft und betrifft mich. Ich bin Kärntner. Landprolo. Tiefste Karawanken. Mein Vater machte in den 40ern die Büchsenmacherschule. BILDUNG hilft! Haben die Nazis gebraucht. Gerwehrmacher . SUPER. Seine Erfahrung: Bildung macht frei. Im wahrsten Sinne! (Ja Auschwitz lässt grüssen) Er hat zumindest mich zu tiefst beeinflusst. Eine HTL, zwei Uni, ein Master, ein D.I. Es ist gut gegegangen, Zumindest finanziell. Und in Österreich ist man ja als HERR DOKTOR zumindest am Land ein Lord. Ich würde es wieder machen, obwohl es nur für mich interessant war. Ein bissl Jack London, ein bissl Wiener Politikflair. Nur eine kurze Schwärmerei in den 80ern. Wäre ohne "Bildung" nicht gegangen. Sonst würde ich noch immer im Mief von Südkärnten gefangen. Slowenische Messe am Sonntag, wo ich Slowenisch nicht verstehe. Bildung macht frei. Anders als mein Vater meinte. Aber Freiheit ist sowie immer angegrenzt an die Freiheit der Anderen. Aber es ist meine FREIHEIT.
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  • Ena Grabic
    27.05.2024
    Hallo, Hier ein großer Fan. Dennoch ist der Artikel nicht schlüssig geschrieben. Mir ist eure Aussage hier nicht ganz klar. Ist die Feststellung : als Arbeiterkind schafft man trotz Bildung ( Studium etc.) den sozialen Aufstieg nicht oder ist die Feststellung dass man garnicht in den Genuss einer solchen Bildung kommt?
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    • Tom Schaffer
      27.05.2024
      Das Hauptargument hier ist: Ein Arbeiterkind kommt seltener zu höheren Bildungsabschlüssen, weil das bestehende Bildungswesen finanzielle Unterschiede nicht ausgleicht, und dadurch die unterschiedlichen Startvoraussetzungen noch verfestigt.
  • frizzdog
    24.05.2024
    das türkise ösi-ideal ist doch 24/7 hackler und führungskräfte ohne matura! bildung und aufstieg? linkslinke träume wie warmes mittagessen für kids und ganztagsschulen. also ratten, wählt eure fänger!
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