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Klimakrise
Ungleichheit

Radikaler Umbau: Wie die Bekämpfung der Klimakrise zu einem besseren Leben für alle führen kann

Radikaler Umbau: Wie die Bekämpfung der Klimakrise zu einem besseren Leben für alle führen kann
Die Anpassung an die Klimakrise braucht viele Bausteine. Sie betrifft nicht nur die Wirtschaft
Die Anpassung an die Klimakrise stellt uns vor viele große Herausforderungen. Sie bieten aber auch große Chancen - wenn man sie richtig angeht. Die Arbeiterkammer Wien hat einen umfassenden Plan für den notwendigen sozialen und ökologischen Umbau vorgestellt. Wir haben mit einer der Autorinnen darüber gesprochen.

Es kann so nicht weitergehen. Die Klimakrise stellt uns bereits jetzt vor Herausforderungen. Und die werden in Zukunft noch größer. Wie wir die Klimakrise bekämpfen können? Darüber wird politisch und gesellschaftlich heftig gestritten.

Worauf sich aber fast alle einigen können: Wir müssen uns an die neuen Gegebenheiten anpassen. Ansonsten werden die Auswirkungen der Erderhitzung die Gesellschaft auch im übertragenen Sinn schmelzen.

Für diesen Umbau braucht es einen guten Plan. Denn es gibt kaum einen Bereich, der von der Klimakrise nicht betroffen ist. Und es werden vor allem die darunter leiden, die am wenigsten dafür können. Reiche Menschen sind durch ihren Lebensstil für wesentlich mehr CO2-Emissionen verantwortlich. Gleichzeitig können sie sich Anpassung und Schutz am ehesten leisten. Wie können wir es schaffen, dass der Großteil der Bevölkerung nicht auf sich alleine gestellt ist?

Die Arbeiterkammer Wien hat dazu nun einen umfassenden Plan vorgelegt. Darin geht es nicht nur darum, dass wir unsere Häuser besser dämmen und die Industrie grüner machen sollten. Wir haben mit den Koordinatorinnen des Plans, Astrid Schöggl und Veronika Heimerl, darüber gesprochen, welche Bereiche noch vom Umbauplan betroffen sind und worin die Chancen liegen.

MOMENT: Von einem Plan zur Anpassung an die Klimakrise würde man sich vor allem “Green Jobs” oder Hochwasserschutz vorstellen. Euer Plan behandelt aber viel mehr Bereiche. Warum?

Astrid Schöggl: Die Probleme der Klimakrise können wir nicht innerhalb der neoliberalen Logik lösen. Es braucht eine grundsätzliche Neuausrichtung, in der man alle Bereiche zusammen denken muss. Meistens werden aber nur einzelne Sektoren behandelt in solchen Diskussionen.

Unser Anspruch war es, soziale und ökologische Themen durchgängig zu verbinden. Wir haben uns dafür fünf große Bereiche angesehen: Energie, Mobilität, Landwirtschaft, Industrie und Gebäude. Nicht nur allgemein, sondern ganz konkret.

Dazu kommen aber viele Querschnittsthemen, die überall hineingreifen. Denn der Umbau bedeutet große Veränderung. Und dafür brauchen wir soziale Absicherung. 

MOMENT: Aber was haben Themen wie Geschlechtergerechtigkeit oder Verkürzung der Arbeitszeit mit der Klimakrise zu tun?

Schöggl: Frauen sind überdurchschnittlich von der Klimakrise betroffen. Beispielsweise steigt Gewalt gegen Frauen in Hitzephasen an und Hitze ist für Schwangere sehr problematisch. Es ist ähnlich wie bei den Einkommensgruppen: Auch hier sind gewisse Menschen – jene mit weniger Geld – stärker betroffen als andere. Und die dürfen dann zusätzlich noch weniger mitentscheiden – auch das haben sie mit Frauen gemeinsam.

Mit der Arbeitszeitpolitik knüpfen wir an die Frage an: Wofür produzieren wir eigentlich? Für die Gesellschaft oder für Profite? Und diese Frage spielt bei der Klimakrise auch eine zentrale Rolle.

Veronika Heimerl: Dabei muss man betonen: Arbeiter:innen und Angestellte stehen im Zentrum des sozialen und ökologischen Umbaus. Klimapolitik wird nur erfolgreich sein, wenn sie auch im Interesse der Vielen passiert. Der Umbau ist Arbeit – die von diesen Menschen überhaupt erst geschaffen wird. 

Wir können keine Klimapolitik machen, die erst im Nachhinein sozial abgefedert wird. Beides muss gemeinsam gedacht und umgesetzt werden.

MOMENT: Die Klimakrise wird naturgemäß sehr negativ diskutiert. Euer Plan stellt Chancen und Lösungsansätze stark in den Mittelpunkt. Was kann sich für die Menschen denn verbessern?

Schöggl: Wir reden fast immer davon, dass wir bei der Klimakrise eine größere Bedrohung gerade noch abwenden. Aber es gibt auch etwas zu gewinnen. Wir glauben, dass das im Zentrum der Klimapolitik stehen muss. Dass wir auf eine Gesellschaft hinarbeiten, die für die Vielen positiv ist. Das heißt: Wir müssen Produktion und Arbeit darauf ausrichten, was die Gesellschaft braucht. Menschen, die besonders hart für die Gesellschaft arbeiten, müssen entsprechende Anerkennung bekommen.

Insgesamt soll der Umbauplan zu einem guten Leben für die Vielen innerhalb der planetaren Grenzen führen.

Heimerl: Die Grundversorgung zieht sich bei uns als Querschnittsthema durch. Dass ich etwa nicht mehr auf mein Auto angewiesen bin, sondern auch komfortablen öffentlichen Verkehr nutzen kann. Oder dass ich nicht privat viel Geld für Kinderbetreuung zahlen muss – sondern einen Rechtsanspruch darauf habe, dass mein Kind ganztags gute Bildung erhält. 

Dafür sind auch gute Arbeitsbedingungen zentral. Wir brauchen gute und genug Leute, die in diesen Bereichen arbeiten wollen.

Schöggl: Aktuell kann man sich auch nicht frei aussuchen, wo man arbeiten will. Es gibt starke Abhängigkeiten. Wenn ich meinen Job verliere, kann ich mich nicht leicht umorientieren. Wir brauchen etwa viel mehr Menschen für die Gebäudesanierung, vielen Menschen ist der Zugang zu einer Ausbildung aber verwehrt.

Richten wir mehr auf den Umbau aus, haben Menschen auch eine höhere Flexibilität. Und können einfacher etwas Sinnstiftendes machen.

MOMENT: Ein anderer großer Plan zur Bewältigung der Klimakrise ist der Green New Deal der EU. Wie unterscheidet der sich von eurem?

Schöggl: Wir befürworten grundsätzlich seine Stoßrichtung. Auch da ist vieles gemeinsam gedacht. Aber: Er greift nicht weit genug. Die soziale Frage wird vernachlässigt. Es bräuchte etwa eine Ausbildungs- und Beschäftigungsoffensive, die Klimapolitik müsste die Ungleichheiten ins Zentrum stellen. 

Allen voran kritisieren wir aber, dass die Klimapolitik in der EU so stark von oben verordnet wahrgenommen wird. Klimapolitik muss mehr von unten gedacht werden. Wir kritisieren den moralischen Zeigefinger und Ansätze, die über Preismechanismen laufen. Das heißt nämlich: Wer Geld hat, kann sich klimaschädliches Verhalten leisten. Warum sollten die Vielen eine Klimapolitik unterstützen, die nur für manche gilt?

Heimerl: Unser Plan sieht deswegen auch vor, dass Leute mehr mitreden können. Das soll etwa auch über eine Stärkung der Mitbestimmung in den Betrieben funktionieren. Klimapolitik muss im Alltag von den Beschäftigten mitgestaltet und mitgetragen werden.

MOMENT: Ihr nehmt Unternehmen in eurem Plan stark in die Pflicht. Wie sollen sie mehr beitragen?

Schöggl: Allgemein lässt eine Zeigefinger-Debatte darüber, was man konsumieren soll oder nicht, die Unternehmen aus. Dabei wird ja sehr viel einfach deswegen produziert, weil es Profite bringen könnte. Produkte werden manchmal gar nicht mehr gekauft, sondern weggeworfen. Oder sie halten extra kürzer. Unternehmen sichern sich damit Marktanteile – wie etwa bei den E-Scootern in den Städten. Das zeigt, dass der Ansatz nur über Konsument:innen der falsche Hebel ist. 

Ein praktisches Beispiel ist betriebliches Mobilitätsmanagement. Früher haben sich Unternehmen Gedanken gemacht, wie die Leute in die Arbeit kommen können. Ich als Beschäftigte kann mir das oft nicht aussuchen. Da gab es Werksbusse und ähnliche Modelle. Darüber machen sie sich heute keine Gedanken mehr. Aber ein großer Teil der Menschen ist überhaupt nicht an den öffentlichen Verkehr angebunden und hat einfach keine Wahl.

MOMENT: Ein weiterer Bereich, in dem sich etwas verändern muss, ist das Sozialsystem. Wie sollte das in Zukunft aussehen?

Heimerl: Unser Sozialstaat ist die Basis, auf dem der Umbau stattfinden kann. Die Menschen sollten aber in Zukunft so gut abgesichert sein, dass sie ein gutes Leben führen können, auch wenn sie gerade keine Lohnarbeit leisten können. Das heißt etwa konkret: Anhebung des Arbeitslosengeldes und der Mindestsicherung.

Wenn der Umbau alle Menschen mitnehmen soll, dann muss auch für diejenigen eine Absicherung da sein, die noch keinen guten Job darin haben. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit, aber wir können auch nur so Menschen davon überzeugen, dass der Umbau in ihrem Interesse ist.

MOMENT: Das alles wird wohl viel Geld kosten. Wie soll man das finanzieren?

Schöggl: Das fällt nicht vom Himmel. Aber wir haben eine extrem ungleiche Vermögensverteilung. Ohne Beiträge von reichen Menschen wird es nicht gehen, wenn wir die Klimakrise in den Griff bekommen wollen. Wir brauchen Vermögens- und Erbschaftssteuern. Das ist einerseits notwendig, um den Umbau zu finanzieren. Aber es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit.

Heimerl: Natürlich werden wir sehr, sehr viele Investitionen brauchen. Aber die Frage ist: Was ist denn die Alternative? Wir können ja aktuell etwa in der Steiermark zusehen, wie teuer es wird, das alles wieder aufzubauen, was gerade durch die Überschwemmungen zerstört wird.

Es gibt auch Forschung zu den Kosten des Nichthandelns. Die zeigt, dass diese Kosten die der Investitionen in kurzer Zeit sehr stark übersteigen werden. Die Frage, ob wir weiter so machen wie bisher, stellt sich bald ohnehin nicht mehr.

MOMENT: Der Umbauplan ist ein sehr positiver Blick in die Zukunft. Aber was passiert, wenn wir so weitermachen wie jetzt?

Schöggl: Wir wissen ziemlich genau, was jedes Zehntel Grad Erderwärmung für Auswirkungen hat. Dabei ist auch wichtig, zu betonen: Das ist nicht nur ein Problem der Menschen im globalen Süden. Österreich ist überdurchschnittlich von der Klimakrise betroffen.

Die Klimapolitik, die jetzt gemacht wird, ist für die Vielen nachteilig. Sie wird zu schweren sozialen Verwerfungen führen, weil sie die soziale Gerechtigkeit vernachlässigt. Wir verlieren Wohlstand und viele Menschen sind Extremwetterereignissen viel stärker ausgeliefert. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Menschen damit alleingelassen werden.

Die Klimapolitik von Oben wird immer mehr abgelehnt. Das wird den Rechtsruck, wie wir ihn jetzt sehen, befeuern. Weil die Menschen das Gefühl haben, dass es keine positive Zukunft gibt. Und dass sie nicht mehr gehört werden.

Heimerl: Die Menschen wollen auch klimapolitische Maßnahmen, die aus Verboten und Geboten bestehen. Maßnahmen, die auf Preismechanismen setzen, fühlen sich unfair an. Deshalb sollten wir über Maßnahmen wie ein Privatjet-Verbot nachdenken. Nicht, weil es alleine alle Probleme löst. Sondern weil es den Vielen zeigt, dass alle einbezogen werden in Klimapolitik. Und dass sich Superreiche, die weiterhin die Klimakrise befeuern, auch an Regeln halten müssen.

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