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Arbeitswelt

„Weckruf“ – der Alltag im Hort zwischen Bildung, Betreuung und Berufung

„Weckruf“ – der Alltag im Hort zwischen Bildung, Betreuung und Berufung
Im Hort werden die Kinder nachmittags von Pädagog:innen betreut, während sie beispielsweise ihre Hausübung machen. Foto: RDNE Stock Project via Pexels
Knapp 12.000 Hort-Plätze gibt es für Volksschulkinder in Wien. Mario ist Pädagoge in einer dieser Einrichtungen, macht das gerne – sieht aber noch Verbesserungsbedarf.

„Jeder Tag ist anders, weil wir mit Menschen bzw. Kindern arbeiten“, erklärt Mario. Er ist Pädagoge in einem Hort in Wien. Abseits von Volksschule und Elternhaus kümmern sich die Pädagog:innen darum, dass die Kinder am Nachmittag gut betreut sind und die Hausübungen erledigt sind. Das entlastet berufstätige Eltern und ist ein herausfordernder Job, egal wie gern man ihn ausübt. „Ich habe mich bewusst gegen einen Bürojob entschieden.”, sagt Mario: “Für mich gibt es nichts Schöneres.“

Ein ganz „normaler“ Tag

Es ist 11 Uhr an einem Frühlingsvormittag, die ersten Sonnenstrahlen erwärmen schon den Hof. Bevor die Kinder dort spielen dürfen, kommen sie je nach Unterrichtsschluss um 12 oder 13 Uhr in ihre Hortgruppe. Es gibt Essen, danach wird die Hausaufgabe gemacht. Dass diese erledigt wird, sei einer der Hauptgründe, warum die Eltern ihre Kinder hierhin schicken.

Wer schon um zwei fertig ist, darf in den Hof gehen, bis halb drei müssen die Hausübungen erledigt sein. Ab da werden die Gruppen geöffnet. Der Hort hat verschiedene Angebote wie kreatives Gestalten oder Achtsamkeitsübungen. Die Schule bietet ebenfalls Lern- und Sportkurse an, die teilweise bereits um 13 Uhr losgehen. Zwischen 15 und 16 Uhr wird der Hof geschlossen und es gibt Jause. Danach werden die ersten Kinder abgeholt, bis maximal 17:30 Uhr ist geöffnet. Es ist also ein ständiges Kommen und Gehen. „Da fragt man sich aber schon nach vier, fünf Stunden, wie viel man überhaupt weitergebracht hat, wenn man sich diesen Zeitplan ansieht“, so Mario. Im Endeffekt erreiche man aber viel, ist er überzeugt.

Nehmen Herausforderungen zu?

Und wie sieht es mit Themen aus, die rund um Schule und Erziehung entstehen? Nimmt der psychische Stress bei Kindern zu? Während der Pandemie-Lockdowns war das ein großes Thema, auch die Social Media-Nutzung steht immer wieder im Verdacht, das zu bewirken. „Seit der Corona-Zeit fällt es uns anders auf, wir achten mehr auf diese Themen als zuvor“, sagt Mario. Nach 15 Jahren im pädagogischen Bereich, davon sieben Jahre im Hort, bewertet er die Entwicklung gemischt, aber nicht so problematisch. „Es gab ja nie keinen psychischen Stress“, meint er.

Probleme? Eher anders als gedacht

Viel Aufmerksamkeit bekommt in den Medien auch das Thema Migration. Der Boulevard ortet gerade in Wahlkampfzeiten Probleme über Probleme damit. Die Schule und somit auch der Hort sollen davon „betroffen“ sein.

Seine Erfahrung: „Mein erster Hort war ein privater, da gab es alle Religionen, Kulturen und Bevölkerungsgruppen. Dadurch lernt man auch voneinander und das ist hier nicht viel anders. Ich bin jetzt im dritten Haus tätig und das Thema Migration ist nicht präsenter.“ 

Die Sprachkenntnisse sind gelegentlich eine Herausforderung, aber weniger bei den Kindern, beobachtet er: “Natürlich gibt es manchmal Eltern, mit denen man nicht auf Deutsch kommunizieren kann. Aber in der Regel lernen die Kinder in den vier Jahren Volksschule wunderbar Deutsch.“

Alte Bilder im Kopf

Für ihn selbst kein Thema, aber in der Arbeit schon: Dass er einer der prozentuell wenigen Männer ist und das hat Konsequenzen im Job. „In der täglichen Arbeit sind es schon manchmal Eltern oder Kolleginnen, die es thematisieren“, erzählt Mario. „Ich bekomme das nicht so mit, aber man meldet mir zurück, dass sich manche wohler fühlen, wenn ich mit dabei bin.” Dieses Denken findet man unabhängig der Herkunft. “Meine Wirkung spüre ich schon, aber ich wundere mich dann schon, wie sich das Verhalten ändert, wenn ein Mann im Raum ist und frage mich, wie tief diese Vorstellungen in den Menschen drinnen sind.“ 

Die Hortpädagog:innen haben aber auch da die Chance, Denkmuster aufzubrechen und die Kinder ohne viel Druck von außen zu betreuen. 

Wachsam sein

Im Hort können auch Themen aufkommen, die Eltern oder Lehrer:innen verborgen bleiben. Etwa wenn es um verschiedene Arten von Gefährdungen von Kindern geht, auf die man hier aufmerksam wird.

Detaillierte Zahlen für den Hort gibt es nicht. Aber gemäß der letzten verfügbaren Zahlen (für ganz Wien, in allen Bereichen) veranlassen Schulen beziehungsweise elementarpädagogische Einrichtungen rund ein Viertel aller Gefährdungsmeldung (insgesamt sind das im Jahr 12.550) für Kinder. Vernachlässigung (54,2 %) spielt dabei die größte Rolle. Psychische (26,4 %), körperliche (17,9 %) und sexualisierte Gewalt (1,5 %) folgen. 

„Die Grundlage ist Respekt. Wenn die Bedürfnisse von Kindern ernst genommen und respektiert werden, sich alle Beteiligten an den Kinderrechten orientieren, wirkt das grundsätzlich präventiv“, stellt Christine Tiefenböck von der Wiener Magistratsabteilung für Kindergärten gegenüber MOMENT.at klar. Wenn etwas auftaucht, gibt es ein enges Netz, um im Fall des Falles bereit zu sein. Vonseiten des Horts und der am selben Standort befindlichen Schule gibt es Kontaktpersonen, die Stadt Wien hat ein Kinderschutzkonzept. Neun von zehn Fälle können ohne Unterbringung in Kriseneinrichtungen geklärt werden.

Frage an die Parteien: Wie soll es besser werden?

Der Hortbesuch eines Kindes richtet sich – anders als beim Kindergarten – nicht nach der Wohn-, sondern nach der Schuladresse. Um die bestehenden Herausforderungen zu meistern, muss letztlich die Politik Rahmenbedingungen schaffen. 

Von eben jener Politik wollte MOMENT.at gerade im Wiener Wahlkampf auch wissen, wie diese die Arbeit der Horte einschätzt, ob es Verbesserungspotenzial gibt und inwiefern man die Hortpädagog:innen weiter unterstützen möchte. Stellungnahmen langten zu Redaktionsschluss von den Regierungsparteien SPÖ und Neos, den Grünen und der ÖVP ein. 

Die FPÖ beantwortete nicht, was und wie sie über die Betreuung von rund 12.000 Kindern in Wien denkt.

Einigkeit bei Wahlfreiheit

In einer Sache sind sich SPÖ, Neos, Grüne und die ÖVP einig: Die Horte gehören dazu, sie erleichtern die Wahlfreiheit der Eltern; auch der Verweis auf Bildungsgerechtigkeit findet sich bei allen, auch wenn die Volkspartei diesen nicht allzu groß hervor streicht. Das gilt aber nur, wenn man es sich auch leisten kann. Die Betreuung kostet in Wien 219,77 Euro im Monat, das Mittagessen noch einmal 84,85 Euro.

ÖVP-Bildungssprecher Harald Zierfuß meint aus der Opposition heraus aber: „Während in verschränkten Ganztagsschulen in Wien sowohl das Mittagessen als auch die Freizeitbetreuung gratis angeboten werden, müssen Eltern mit Kindern in Offenen Schulen oder in Halbtagsschulen für die Nachmittagsbetreuung bezahlen.“ Er fordert, dass alle Kinder bis 15:30 Uhr unabhängig von Schultyp und Betreuungsform finanziell gleich behandelt werden. 

Ein offenes Ohr findet man hierfür bei den Neos, es soll für alle „ein hochwertiges, warmes, gesundes und kostenloses Mittagessen zur Verfügung“ gestellt werden, so Dolores Bakos auf Anfrage.

Die SPÖ ist überzeugt, bereits wichtige Schritte gesetzt zu haben, etwa durch Investitionen in die Ausbildung und die Erhöhung der Mittel für pädagogische Berufe. Die SPÖ streicht das Bildungscampus-Konzept hervor, bei dem Kindergarten, Schule und Freizeitpädagogik an einem Ort vereint sind.

Die Grünen fordern wiederum ein Hortgesetz. Das würde zu einheitlichen Standards führen. Bisher gibt es so ein Gesetz nicht.

Konkret: Gibt es mehr Geld?

Gegenwärtig gibt es für Hortpädagog:innen gemäß Kollektivvertrag in den ersten Berufsjahren etwas mehr als 2.000 Euro netto für Vollzeitarbeit, die Gehaltskurve ist eher flach, Vollzeitstellen sind rar gesät und nicht die Regel. Und bei Arbeitszeiten von spätem Vormittag bis zum Vorabend auch eher mäßig familienfreundlich. 

Die Grünen wollen explizit eine bessere Bezahlung. 

Die ÖVP fordert mehr Geld und einen besseren Fachkraft-Kind-Schlüssel: „Das würde auch eine bessere qualitative Betreuung für die Kinder bringen.“ Hierbei könne und müsse die Stadt tätig werden: „Ohne dieser langfristigen Perspektive wird es auch in Zukunft schwierig sein, mehr gut ausgebildete Elementarpädagogen für den Berufseinstieg zu gewinnen und auch zu halten.“

Die Neos sagen als Regierungspartei mit Verantwortung über das Bildungsressort hinsichtlich Bezahlung des Personals: „Die bessere Wertschätzung der pädagogischen Berufe hat für uns oberste Priorität.” Mehr Geld bedeutet das nicht automatisch. Weiters meint man: “Gerade im öffentlichen Dienst sollte es in jenen Bereichen, in denen ein Arbeits- und Fachkräftemangel herrscht, die Möglichkeit geben, differenzierte Gehaltsabschlüsse zu vereinbaren.“ Derzeit ist das Gehalt an den Kollektivvertrag gebunden. Dazu gehören für sie beispielsweise auch Anreize wie Essensmarken oder Job-Ticket.

Wünschenswert wäre es

Zurück in den Hort. Auch wenn Mario sagt: „Um reich zu werden, macht man den Job auch nicht“, wäre es schon erstrebenswert, diesen gesellschaftlich wichtigen Beruf besser zu entlohnen. Die Wertschätzung, meint er letztlich, sei sowieso gestiegen, als die Eltern ihre Kinder den ganzen Tag betreuen mussten:

„Die Eltern zeigen unserem Beruf gegenüber mehr Wertschätzung. Sie haben wohl wieder gemerkt, was es heißt, die Kinder den ganzen Tag zu betreuen. Das hat einiges bewirkt. Ich dachte mir, dass das schon etwas schade ist, dass es dazu eine Pandemie braucht. Aber es war ein Weckruf.“

Ein Auftrag an alle Beteiligten, damit sich auch in Zukunft genug Menschen finden, die den Job machen wollen.

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